Stoffwechsel ist das A und O – er ist der Anfang und das Ende und ein in sich geschlossener wunderbarer und sehr wichtiger Kreislauf des Lebens. Ohne Stoffwechsel kann dein Pferd nicht leben. Er ist immens wichtig und gehört deswegen unbedingt in diese Reihe zur Pferdeanatomie – auch wenn er kein einzelnes Organ beschreibt, ist er doch der Vorgang des Lebens und der Gesunderhaltung im ganzen Pferdekörper. Kurz gesagt: Ohne einen guten Stoffwechsel ist alles nichts.
Deswegen ist es unglaublich wichtig, dass dein Pferd einen gesunden und gut funktionierenden Stoffwechsel hat. Dann funktionieren alle Zellen, das Fell kann glänzen und wachsen, Magen und Darm können ihre Arbeit gut und richtig machen, die ganzen Organe können wie wunderbare Rädchen ineinandergreifen. Mehr zur Gesamtanatomie der Pferde findest du übrigens in dem Basis-Artikel HIER Weil dieses Thema so unglaublich wichtig und komplex ist, habe ich die Pferde-Expertin Svenja Thiede gefragt, ob sie einen Gastartikel darüber schreiben will. Sie ist Homöopathin und Pferdeheilkundlerin. Deswegen freue ich mich sehr das Wort jetzt an Svenja übergeben zu dürfen.
Was ist Stoffwechsel und wie kannst du ihn bei deinem Pferd verbessern?
Ein Gastartikel von Svenja Thiede
Svenja ist klassische Homöopathin. Das heißt, dass ihre Therapie für jedes Pferd anders ist. Homöopathie will dem Körper dabei helfen sich selbst zu helfen und unterstützt sozusagen die Körpereignenen Kräfte. Deswegen muss so eine Behandlung fundiert und individuell ablaufen. Aber natürlich gibt es auch in der Homöopathie klassische Standardmittel für verschiedenen Krankheiten. Es ist supergut, ein bisschen was für die Standardgeschichten im Stallschrank zu haben – es ist aber genauso wichtig zu wissen, wie man sie richtig anwendet.
Da kann Svenja weiterhelfen. Wer mehr wissen will – und im nördlichen Norddeutschland wohnt – kann in seinem Stall (oder seiner Lieblingskneipe) einen Vortrag von Svenja bekommen zu verschiedenen Gesundheitsthemen rund ums Pferd. HIER kannst du dich bei Svenja melden. Es lohnt sich total! Svenja war auch bei pfernetzt.de dabei und ihr Vortrag war einfach hochinteressant, spannend und fundiert.
Was ist Stoffwechsel?
Ohne Stoffwechsel kein Leben. Jede einzelne lebende Zelle betreibt Stoffwechsel. Substanzen gehen rein, um die Zelle zu ernähren, die Zelle macht ihre Arbeit, produziert irgendetwas oder bewegt sich, die Endprodukte gehen wieder raus. Wir sprechen von „Leberstoffwechsel“, „Hormonhaushalt“, „Verdauung“, aber nichts geht ohne das andere.
Stoffwechsel (Fachbegriff: Metabolismus) ist die Gesamtheit der chemischen Prozesse in Lebewesen. Dabei wandelt der Organismus chemische Stoffe in Zwischenprodukte (Metaboliten) und Endprodukte um. In der Pathologie werden die Veränderungen des untersuchten Gewebes in fünf „Schubladen“ eingeteilt, um am Ende die Ursache bestimmen zu können. In der ersten „Schublade“ sind die Allgemeinen Stoffwechselstörungen. Der Pathologe erkennt im Gewebe ganz bestimmte Veränderungen die zeigen, welcher Art die Stoffwechselstörung war.
Stoffwechselstörungen, Stoffwechselaktivierung, Stoffwechselentgiftung, Stoffwechselerkrankung… die Liste der herumschwirrenden Stoffwechselwörter ist lang.
Jede Zelle kennt ihre Aufgabe und ist abhängig von anderen Zellen. Alle zusammen sind abhängig von der Zulieferung von Nahrung und Energie. Die Produkte müssen ausgeliefert werden, und der Müll entsprechend der Entsorgungsvorschriften abtransportiert werden. Wichtig ist natürlich, dass in einem Gesamtorganismus alle Organe, alle Zellen gut zusammenarbeiten, damit es nicht an irgendeiner Stelle hakt. Denn die Folge ist, dass auch weitere Zahnräder im Organismus beginnen zu haken.
Wo sind die zentralen Punkte im Stoffwechsel?
- Es beginnt damit, dass Substanzen aufgenommen werden (müssen). Dabei müssen die den Körper nach außen abgrenzenden Barrieren entscheiden, was rein darf, und was wieder raus muss.
- Diese Barrieren sind Haut (mit allen Anhängen, wie Haaren, Hufen, Euter…), Darmschleimhaut, und Schleimhaut des Atemtraktes. Sie waren alle mal eine Schicht und haben sich durch Stülp- und Faltvorgänge spezifiziert – das heißt sie kennen sich wirklich sehr gut.
- Wenn eine diese Barrieren an Arbeitsüberlastung leidet, weil zu viel oder Unnützliches reinkommt und noch mehr raus muss, dann übernimmt eine andere Barriere einen Teil der Arbeit.
- Oft zeigen sich hier dann durch die ungewohnte Arbeit Symptome, zum Beispiel:
- Kotwasser
- Hautjucken
- Husten
An dieser Stelle bedarf es dann eines guten Diagnostikers, der die Zusammenhänge herstellt und die Zahnräder an der richtigen Stelle schmiert.
Was der Darm für den Stoffwechsel macht
Der Darm mit Charme – auch beim Pferd. Die meisten Dinge finden ihren Weg über den Darm in den Körper. Dort sitzt der größte Anteil des Immunsystems, ca. 80%. Hier werden schädliche Stoffe und krankmachende Keime möglichst sofort erkannt und vernichtet.
Was die Leber für den Stoffwechsel macht
Alles, was durchgeht, gelangt von hier in die Leber. Die Leber hat zahlreiche Aufgaben – ohne Leber kein Leben (sind sich die Wörter deshalb so ähnlich? Hm). Unter anderem kann die Leber Substanzen umbauen, die schädlich für den Körper sind, damit diese dann ausgeschieden werden können. Ausscheidungsorgane sind wiederum der Darm oder – für wasserlöslichen „Müll“ – die Nieren. So eine Pferdeleber ist riesig (5 kg) und kann wirklich eine Menge, aber was zu viel ist, ist zu viel. Leider können wir das oft nicht erkennen, denn bis sich sichtbare Symptome zeigen, ist schon viel passiert. Viele Substanzen werden im Fettgewebe eingelagert, wo sie zunächst keinen Schaden anrichten. Es gibt entgiftende Substanzen, mit denen man Giftstoffe regelrecht aus dem Gewebe ausschwemmen kann. Diese zirkulieren dann im Kreislauf, und bleiben – von der Leber ungesehen – da hängen, wo man sie gar nicht haben will, zum Beispiel in den Hufen. Oder es kommt zu Juckreiz. Oder zu Kotwasser. Also zu einer VERgiftung durch ENTgiftung. Es ist wichtig, frühe Anzeichen zu erkennen oder – noch besser – der Leber immer mal zu helfen, bevor Anzeichen zu sehen sind.
Fastenzeit fürs Pferd?
Die Menschen haben vor langer Zeit Fastenzeiten eingeführt – aus gutem Grund. In unserer Überflussgesellschaft wird dies leider meist vergessen. In Zeiten ohne Medizin war die Fastenzeit die Möglichkeit, sich von überflüssigen Giftstoffen zu befreien. Manchmal denke ich, dass das heute wichtiger ist denn je, da so viele künstliche Stoffe, Umweltgifte, Medikamente oder Dünger auf uns einwirken. Verschiedene Fleischfresser fasten auch gelegentlich, um den Verdauungstrakt und damit den gesamten Stoffwechsel zu entlasten.
Pferde können nicht fasten, sie würden davon sehr schnell krank werden. Ist auch gar nicht nötig, ihre Nahrung sollte eigentlich überhaupt keine Belastung darstellen. Zu jeder Jahreszeit wächst das richtige Kraut, um den Stoffwechsel immer wieder in Schwung zu bringen. Leider geben die Weiden dies nicht mehr her, sodass Kräuterkuren entsprechend der Jahreszeit meiner Meinung nach durchaus ihre Berechtigung haben.
Seit einigen Jahren scheint sich die Umwelt an mehreren Stellen für Pferde so verändert zu haben, dass die Zahnräder des Stoffwechsels bei vielen Pferden haken. In diesem Zuge sind Stoffwechselerkrankungen und ihre Behandlung mit Detox-Maßnahmen modern geworden. Es gibt zahlreiche Tipps und Tricks, wie man sein Pferd entgiften soll, den Stoffwechsel optimieren soll. Einige dieser Ideen sind gut, da sie versuchen, die artenverarmte Umwelt unserer Pferde aufzuwerten, zum Beispiel mit Kräutern.
Dennoch muss man sehr genau hinsehen, denn wenn wir Kräutermischungen in den Eimer geben, ist das nicht das Gleiche wie wenn das Pferd sich selber suchen könnte, was es braucht und möchte.
- Nicht zu viel
- Nicht zu lange
- Prüfen (oder sich beraten lassen), ab wann vielleicht eine phytotherapeutische Wirkung einsetzt oder ein Kraut auch mal giftig werden kann.
Übrigens sind leider nicht alle Pferde automatisch in der Lage, über gut oder schlecht bei Pflanzen zu entscheiden. In der Regel lernen die Pferde dies von ihrer Mutter oder der Gruppe, in der sie aufwachsen. Pferde, die draußen großwerden, sind diesbezüglich also besser ausgebildet, als Stallpferde oder Fohlen, die früh von der Mutter getrennt und in einer Fohlengruppe unter Ahnungslosen aufwachsen. Ich bin mir fast sicher, dass mein eigenes Pferd in einem früheren Leben Apotheker war ;-). Viele Pferde brauchen keine Frühjahrskur, sondern tatsächlich einen Tierarzt, der ganzheitlich hinschaut, Diagnostik betreibt und dann einen sinnvollen Plan erstellt. Und viele Pferde brauchen einfach nur Liebe, aber keine Kuren.
Wie sieht es mit dem Stoffwechsel bei deinem Pferd aus?
Ein fröhliches Pferd mit weichem, glänzendem Fell, trockenen Beinen und ohne schwabbelige Beulen irgendwo hat wahrscheinlich einen gesunden Stoffwechsel. Anzeichen für eine Stoffwechselstörung kann sein…
- Müdigkeit, Unlust („Die Müdigkeit ist der Schmerz der Leber“ – kann aber auch eine andere Ursache haben)
- Stumpfes Fell, schlechter Fellwechsel
- Scheuern an Schweifrübe und Mähne (die Haut versucht, Giftstoffe auszuscheiden)
- Verstopfte Talgdrüsen
- Hautpilz, Milben (geschwächte Immunabwehr)
- Verquollene Augen, insgesamt aufgeschwemmtes Aussehen
- Augentränen
- „Hengstkamm“ ohne Hengst (dringender Verdacht auf ein Equines Metabolisches Syndrom oder der Weg dorthin!)
- Fettansammlungen um die Schweifrübe herum
- Angelaufene Fesseln (hinten! Zeichen für gestörten Lymphabfluss – Niere und oder Leber überlastet?)
- Zahnfleischentzündungen
- Kotwasser, Durchfall
- Befall mit Endoparasiten (geschwächte Immunabwehr, gestörte Darmbarriere)
- Mangelhaftes Hufhorn
- Wiederkehrende Hufgeschwüre (möglicherweise ein Entgiftungsversuch!)
- Mauke, Raspe
- Hüsteln – durch ständige gereizte Schleimhaut, Husten – schließlich bleibende Staubempfindlichkeit
Zivilisationskrankheiten beim Pferd?
Warum gibt es so viele Pferde mit solchen „Symptömchen“, die man nicht ohne Weiteres einordnen kann? Ich denke, der Hauptgrund ist die oft nicht pferdegerechte Haltung und Fütterung. Natürlicherweise sind Pferde Dauerfresser, sie bewegen sich 14 bis 18 Stunden am Tag langsam gehend, um Nahrung zu sich zu nehmen. Ab und zu rennen sie einfach mal los, ohne kaputt zu gehen (ganz ohne Bandagen!). Leider können wir unseren Pferden natürlich keine unendlichen Weiten bieten.
Viele Pferde bekommen Mahlzeiten im Stall: morgens, mittags (manchmal noch nicht mal das), abends. Allein dadurch kommt schon mal einiges im Stoffwechsel durcheinander. Boxenhaltung mit einer Stunde kontrollierter Bewegung am Tag, aber auch Offenstallhaltung mit Rumstehen auf viereckigen Paddocks, ist für Pferde schlimmer als ein achtstündiger Schreibtischjob für uns.
Wenn es an Bewegung mangelt, kommt der gesamte Stoffwechsel ins Stocken. In der Folge sieht man die oben gelisteten „Zipperlein“, aber wenn man die übersieht oder für „normal“ hält, kann es sich mit der Zeit aufstauen und das Pferd kann richtig krank werden. Die wirklich häufigste ursprüngliche Ursache ist nicht pferdegerechte Raufutter-Fütterung. Dies gilt es zu analysieren und zu benennen. Es bringt nichts, symptomatisch zu behandeln. Früher oder später werden andere Symptome auftreten.
Was tun, damit das Pferd einen gesunden Stoffwechsel hat
- Erst mal die Haltung und Fütterung so pferdegerecht wie möglich gestalten. Raufutter rund um die Uhr (was nicht gleichzusetzen ist mit „all you can eat“, denn das kann für viele Pferde zu viel werden)
- Viel Bewegung, nicht nur vorgegeben vom Besitzer, sondern auch frei (zum Beispiel auf einem Paddocktrack).
- Und wenn man dann meint, der Stoffwechsel läuft nicht rund, kann man unterstützend eingreifen. Mit Kräutern, aber auch mit Hilfe von jemandem, der sich mit sowas auskennt.
Kuren und was sie taugen
Der Markt ist tatsächlich überschwemmt von Probiotika, Nutrazeutika, Detoxkuren usw. Man sollte das Kleingedruckte lesen – und verstehen, denn oft ist mehr drin, als man seinem Pferd antun will. Beispiel: Antioxidantien = Konservierungsstoffe (zum Beispiel hochgiftige wie Ethoxyquin). Diese Präparate bringen nichts, wenn sie nicht mit Plan gegeben werden (viele bringen tatsächlich gar nichts auch mit Plan), und wenn man die ganze Facebook-Empfehlungsliste auf einmal ins Pferd kippt, kann das gehörig schief gehen. Erst sollte eine Analyse der Situation erfolgen, dann kann gezielt gehandelt werden. Information in Form von „Hey, was gebt Ihr denn so?“ bringen gar nichts, denn auch Pferde sind Individuen. Fazit: Beobachtet eure Pferde und ihre Umgebung kritisch, aber nicht zu kritisch. Habt in erster Linie Freude mit ihnen, denn gute Laune hält den Stoffwechsel in Schwung und hält nachweislich gesund.
Oh danke für diese tolle Zusammenfassung auf den Punkt. Gerade erst gefunden…
Bitte mehr davon :)
Wie lieb – danke für deinen Kommentar! Wir freuen uns sehr darüber – viele liebe Grüße, Petra
Ein sehr interessanter Artikel. Immer wieder denke ich, dass die heutige Haltung unsere Pferde krank macht. Ich versuche schon mein Bestes. Ständig Heu (leider nur mit engmaschigen Heunetzen möglich, da die Ponys sonst einfach zu dick werden), viel Platz zum Bewegen, Kräuter an die Jahreszeiten angepasst und an ihre „Krankheiten“. Trotzdem muss ich feststellen, dass gerade unser Pferdemädchen nicht ganz fit ist. Immer wieder Durchfall und Kotwasser, sie ist zu dünn und nimmt nicht zu, aber die Tierärztin findet nichts, sie hat Sommerekzem, was wir gut im Griff haben, und sie tut sich mit dem Fellwechsel schwer. Laut Tierärzte ist sie „gesund“.
Liebe Grüße
Miriam
Liebe Miriam, das klingt nach einem „Klassiker“. Darm und Haut hängen ganz eng zusammen, sie waren mal eine Schicht, haben sich nur gefaltet. Wenn der Darm überlastet ist, ist die Haut dran mit der Arbeit – und umgekehrt. Sommerekzem im Sommer, Kotwasser im Winter – total häufig. Richtig gesund klingt das für mich nicht. Da muss eine wirklich umfassende Diagnostik gemacht und die Fütterung ganz genau angeguckt werden. Ich weiß, es ist manchmal frustrierend. Ich wünsche Euch viel Glück! Viele Grüße, Svenja
Liebe Petra,
danke, dass du mich eingeladen hast, diesen Artikel für dich – für die Pferde – zu schreiben. Vielen Dank für dein großes Engagement für die Pferde!
Hallo liebe Svenja, wir haben uns so gefreut, dass du zugesagt und den Artikel geschrieben hast. Danke dir nochmal – er schmückt die Seite :-) Viele liebe Grüße, Petra