Willst du wirklich wissen wie Pferde denken und fühlen? Willst du mehr erfahren über Pferdeverhalten und wie du lernen kannst ein bisschen mehr in ihre Köpfe zu schauen? Dann ist diese Serie hier genau das Richtige für dich.
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Pferdepsychologin und Kräuterexpertin Herdis Hiller schreibt über das „Eins werden mit dem Pferd“. Schritt für Schritt – inklusive praktischer Übungen. Sie ist studierte Pferdepsychologin und Pferdeverhaltenstherapeutin und hat sich dem sanften Weg der Pferd-Mensch-Kommunikation verschrieben.
TEIL 1 der Serie findest du HIER – Eins werden mit dem Pferd: Was ist der Schlüssel zum Erfolg?
TEIL 2 der Serie kannst du HIER nachlesen – Die Natur der Pferde: Was die Pferdeseele bewegt und wie Pferde wirklich ticken
Teil 3 der Serie kannst du HIER nachlesen – Was Pferde brauchen und wie wir ein guter Partner werden können
Teil 4 der Serie kannst du HIER nachlesen – Führung ist wie ein Tanz: Was Pferde wirklich von uns brauchen
Teil 5 der Serie „Eins werden mit dem Pferd“ – Die Welt mit den Sinnen der Pferde „sehen“
Teil 6 der Serie „Eins werden mit dem Pferd“ – Pferdesprache lernen
Teil 7 der Serie „Eins werden mit dem Pferd“ von Herdis Hiller – Wie Pferde lernen wollen
Teil 8 der Serie „Eins werden mit dem Pferd“ von Herdis Hiller – Wer ist mein Pferd? Der Weg zu mehr Nähe, Vertrauen und Bindung
Einheit entsteht auch durch Nähe. Und Nähe wird umso größer je besser wir den anderen kennen.
- die Persönlichkeit
- die Ängste und Stärken
- die Schattenseiten
Dann fühlen nicht nur wir uns dem Pferd näher. Sondern auch das Pferd fühlt sich erkannt und angenommen, so wie es ist. Ihr selbst wisst wahrscheinlich, was für ein schönes Gefühl es ist, wenn uns Jemand wirklich gut kennt.
Darüber hinaus ermöglicht diese Erkenntnis auch, viel besser auf das Pferd eingehen, es viel mehr unterstützen zu können. Und auch das fühlt sich toll an! … und erzeugt Nähe.
Pferde Charakter
Euer Pferd braucht in dieser Hinsicht keinen Nachhilfeunterricht, denn es weiß ganz genau, wer ihr seid. Kennt ganz genau jede Eurer Sorgen, eure Gedanken, ja selbst das, was ihr verheimlicht – vor anderen, und vor euch selbst. Pferde habe es leichter ein Wesen zu erkennen, weil sie nicht so viel denken und grübeln – und weil sie sich ihren Blick nicht verstellen durch Wertungen wie „gut“ oder „schlecht“. Pferde sehen viel neutraler als wir – und damit besser.
„Man sieht nur mit dem Herzen gut“, hat Antoine de Saint-Exupéry gesagt. Und manchmal kommt es mir so vor, als hätte er dabei an Pferde gedacht…
Lasst es uns ihnen gleich tun. Lasst uns unsere Pferde in dieser Folge erst mit dem Verstand betrachten. Und dann nur noch mit dem Herzen.
Was wir mit dem Verstand wissen müssen, um die Pferde mit dem Herzen sehen zu können
Die Art beziehungsweise die Gattung der Pferde
Pferde gehören zu der Gattungsfamilie der Equiden. Was die Equiden auszeichnet haben wir bereits in der zweiten Folge dieser Serie gelernt:
- Flucht- und Beutetier
- Pflanzenfresser
- Steppenbewohner
- Herdentier
Dieses Wissen ist die Grundlage. Je weiter wir in Richtung Individuum gehen, desto differenzierter und detailreicher wird dieses Wissen:
Was die Rasse deines Pferdes über seine Persönlichkeit aussagen kann
Die Rasse prägt an zweiter Stelle das Individuum. Denn je nach Züchtungsziel und Herkunft werden unterschiedliche genetische Schwerpunkte weiter gegeben. So sind zum Beispiel viele blütige Rassen eher sensibel, fein, hitzig und temperamentvoll, während die genügsamen Rassen phlegmatisch, stur, widerstandsfähig und besonnen sein können. Und doch dürfen wir nicht in dieser großen Schublade stecken bleiben.
Was das Geschlecht deines Pferdes über seine Persönlichkeit aussagen kann
Da Stuten in der Herde für die Weitergabe von pferderelevantem Wissen an ihre Nachkommen zuständig sind, haben diese sich meist noch viel mehr Wildpferdverhalten erhalten als ihre männlichen Artgenossen. Menschen bezeichnen die besonders ursprünglichen Stuten gerne als „zickig“ oder „launisch“, was ich als echte Beleidigung empfinde. Denn gerade diese Stuten sind noch so klar in ihrer Intuition und so großartige Lehrmeisterinnen, dass die meisten von uns eigentlich bei ihnen in die Lehre gehen könnten.
Wallache hingegen scheinen manchmal regelrecht vergessen zu haben, dass sie ein Pferd sind. Das liegt vor allem an der ungünstigen Aufzucht, die oft vorherrscht: Fohlen werden meist halbjährig aus der Herde entnommen und nach Alter in Absetzer-, Jährlings- und Jungpferdeherden zusammen gesteckt. Ohne eine erwachsene Stute, die ihnen all das beibringen könnte, was sie wissen müssen. Und besonders isoliert werden ja meist die Hengste gehalten. Sie haben also keine Chance, normales Pferdeverhalten zu erlernen. Wenn sie dann später doch gelegt werden, ist das Resultat oft ein Wallach, der kein normales Sozialverhalten zeigt, und schwer mit anderen Pferden vergesellschaftet werden kann. Er kann die arttypischen Signale der anderen Pferde nicht richtig deuten – das Risiko für schwerwiegende Konflikte mit enormem Verletzungspotential ist hoch.
Jedes Pferd ist anders
Extrovertierte oder Introvertierte Pferde
Extrovertierte Pferde gehen sehr nach vorne und nach außen. Sie zeigen, was sie fühlen und leben das voll aus. Sie sind sehr gesellig und kommunikationsfreudig und sehr temperamentvoll. Dafür sind sie nicht so konzentrationsstark und lassen sich schnell ablenken. Diese Pferde brauchen es, bespaßt zu werden. Stürmisches spielen oder knuddeln, alles mit viel Energie und Freude. Man sollte aber auch unbedingt die Konzentrationsfähigkeit stärken und ihnen beibringen, geduldig zu warten und sich aktiv zu beruhigen.
Introvertierte Pferde machen vieles mit sich allein aus, ohne davon etwas nach außen zu zeigen. Bei diesen Pferden wird man körperliche oder seelische Probleme erst sehr spät merken und muss dann sehr schnell reagieren, weil diese bereits weit fortgeschritten sind. Introvertierte Pferde sind auch gerne mal für sich und halten in der Herde gerne größeren Abstand zu den anderen. Bei diesen Pferden sollte man unbedingt ihren Wunsch nach einer gewissen Distanz und Ruhe respektieren und sich ihnen nicht aufdrängen oder ihnen zu sehr auf die Pelle rücken. Dann muss man sich nicht wundern, wenn man eine Drohgebärde serviert bekommt. Auf der anderen Seite dürfen die introvertierten Pferde auch lernen, ganz langsam und vorsichtig sich anzuvertrauen, ab und ein eine gewisse Nähe zuzulassen und die Reaktionsfähigkeit zu erhöhen.
Pferde: Sehen das große Ganze oder das Detail
Die meisten Pferde sind recht gut in Hinsicht auf Details. Sie können sich gut auf eine spezielle Sache konzentrieren und ein spezielles Problem lösen. Größere Zusammenhänge können sie aber übersehen und verlieren gern mal die Übersicht. Diese Pferde darf man nicht mit einer Fülle an neuen Dingen oder Aufgaben überfluten. Sie würden hektisch werden oder ganz abschalten. Statt dessen ist es sehr wichtig, langsam vorzugehen, einen Schritt nach dem anderen zu nehmen und nur eine Sache zur gleichen Zeit zu machen. Nur so haben sie Erfolgserlebnisse und bleiben motiviert. Gleichzeitig muss der Mensch unbedingt die Übersicht behalten und das Pferd sicher da durch führen.
Manche Pferde (deutlich seltener) haben einen Blick für das große Ganze. Sie erkennen komplexe Zusammenhänge und können über sich selbst hinaus sehen. Diese Pferde sind meist ranghoch, denn dieser Job erfordert genau diese Fähigkeiten. Bei ihnen müssen wir schauen, dass sie von unseren Aufgaben nicht gelangweilt werden, denn dann neigen sie dazu, sich selbst spannendere Herausforderungen zu suchen ;-) Außerdem möchten diese Pferde gerne den Überblick haben, ganz egal, wo sie sind.
In einem Stall müssen sie den Platz bekommen, der ihnen eine Rundumsicht erlaubt. Sie müssen auch den meisten Platz um sich herum haben und die Gelegenheit, andere Pferde fort zu treiben. Gleich große Boxen mit Fressplätzen direkt nebeneinander sind für diese Pferde ein Graus. Sie beginnen dann gern zu schnappen oder gegen die Wände zu schlagen. Dieses Pferd anzuführen ist nicht so einfach und sollte immer mit einem großen Respekt vor der Stärke und Königlichkeit dieses Pferdes geschehen. Wer sich mit diesem Pferd auf einen Kampf einlässt, wird das bitter bereuen und ihn möglicherweise verlieren.
Flexibel und Stur
Wenn Pferde etwas erreichen wollen, können sie entweder immer wieder neue Wege suchen und ausprobieren, andere für sich einspannen, gewitzt um die Ecke „denken“ oder sie können vehement auf ihrem Standpunkt beharren und durch immer wieder die gleiche Art versuchen zum Ziel zu kommen. Die flexiblen Pferde lernen meist sehr schnell. Dafür sind sie auch sprunghafter und unentschlossener. Die sturen Pferde brauchen länger, um sich etwas zu merken oder um etwas umzusetzen, sind dafür aber auch äußerst beharrlich und geduldig.
Diese Persönlichkeitsaspekte sind unbedingt bei Erarbeitung eines Trainings- oder Lehrplans zu berücksichtigen.
Die Intelligenz der Pferde
Intelligente Pferde können schneller lernen und behalten. Manche von ihnen müssen eine Sache nur zweimal gemacht haben, um sie zu können. Sie können auch leichter komplexere Zusammenhänge begreifen und Neues schnell verarbeiten. Das hat für uns Menschen den Vorteil, dass sie schnell lernen, was wir ihnen beibringen. Das hat aber auch den Nachteil, dass sie schnell lernen, was sie nicht lernen sollen ;-)
Diese Pferde müssen außerdem deutlich mehr beschäftigt werden – und zwar auch geistig! Sonst fangen sie irgendwann an, „Blödsinn“ zu machen.
Nicht ganz so intelligente Pferde brauchen deutlich mehr Wiederholungen. Auch ist das Wissen nach einiger Zeit der Nichtanwendung schnell wieder raus aus dem Kopf und muss noch einmal neu erlernt werden.
Das ist einer der Gründe, warum es sehr wichtig ist, die Intelligenz des eigenen Pferdes gut einschätzen zu können. Denn die bestimmt im Wesentlichen, wie das Trainingsprogramm gestaltet werden sollte.
Ein Beispiel: Wenn junge Pferde, die durchschnittlich intelligent sind, angeritten werden sollen, dürfen die Pausen zwischen den einzelnen Trainingsphasen nicht zu lang sein. Ein Tag Pause kann gerade am Anfang schon das Gelernte wieder auslöschen. Macht man allerdings bei einem intelligenten jungen Pferd jeden Tag das Gleiche, wird es sich langweilen und für Unruhe sorgen.
Auch die Größe der Aufgabe muss an die Intelligenz angepasst werden. Während das eine Jungpferd 2 Wochen lang jeden Tag erst einmal nur die Satteldecke kennen lernen möchte, möchte das intelligente Pferd vielleicht schon am zweiten Tag den Sattel dazu (allerdings nur, wenn es nicht allzu sensibel ist!).
Ein spannendes Buch zu dem Thema findest du auch hier* – „Die Intelligenz der Pferde“
Sensibilität
Wie sensibel unser Pferd ist, gehört zu den wichtigsten Informationen überhaupt, die wir über unser Pferd haben müssen. Denn wenn Sensibilität missachtet wird, können tiefe Wunden entstehen.
Was bedeutet sensibel?
Sensibilität bezieht sich auf verschiedene Bereiche:
- die Wahrnehmung (Geräusche, Gerüche, visuelle Reize, etc.)
- das Körpergefühl und – bewusstsein (Selbstschutzbedarf, Berührungsempfindlichkeit, Schmerz, etc.)
- die Intuition (Stimmungen, Wetterumschwünge, etc.)
- die Psyche (Konflikte, Stress, etc.)
Aber nicht jedes Pferd ist in allen Bereichen gleich sensibel.
Ein paar Beispiele:
- Manche Pferde sind sehr sensibel was Geräusche angeht, aber bei Gerüchen relativ unempfindlich
- Manche Pferde passen sehr auf ihren Körper auf (besonders Stuten) und reagieren sehr sensibel auf ein „zu-nahe-treten“ oder auf Berührungen, sind dafür aber vielleicht besonders hart im Nehmen was Schmerzen angeht
- Manche Pferde reagieren unheimlich sensibel auf die Schwingungen ihres Umfeldes oder Wetterumschwünge, aber kaum auf Konflikte oder strafende Absprache
Es gibt auch Pferde, die von all dem kaum etwas mitbekommen. Das sind meist die weniger ursprünglichen Pferde.
Mit sehr sensiblen Pferden hingegen müssen wir Menschen ebenfalls äußerst sensibel, intuitiv und intelligent umgehen, um Vertrauen nicht zu zerstören oder um es überhaupt erst aufbauen zu können. Laute Stimmen, ruppiges Handling, wenig Respekt vor dem persönlichen Bereich des Pferdes sind bei sehr Sensiblen nicht angebracht.
Und nun kommt das Herz
Auch wenn dieser Text deutlich kürzer ist, ist er doch umso wichtiger. Stellt euch immer wieder folgende Fragen und versucht die Antworten darauf zu finden. Mit jeder Antwort werdet ihr eurem Pferd einen Schritt näher kommen.
- Was macht euer Pferd besonders glücklich?
- Was motiviert es ausgesprochen gut?
- Wie möchte euer Pferd am liebsten mit euch zusammen arbeiten?
- Was möchte es euch sagen
Die wichtigste aller Fragen: Wer ist euer Pferd?
P.S.: Lasst mich raten: Es ist das tollste Pferd auf der ganzen Welt, richtig? :-)
Hallo Herdis,
ich lese seit heute morgen ganz gespannt deine Artikel und wuerde liebend gern solche wundervollen Geschichten erzaehlen koennen, aber leider kann ich das nicht. Ich habe seit ca. 2 Jahren eine mittlerweile 16 jaehrige Traberstute, die ich damals auch schlechten Haenden holte und ihr jetzt ein “freies leben” mit riesen Paddock und Herde biete. Und dann kommt das Problem, ich.
Als ich sie holte, hatten wir ein super Verhaeltnis, ich vertraute ihr 100%ig und wir hatten immer Spaß. Letztes Jahr im Sommer kam Joy mit ihren Pferdefreunden auf die Weide, und ab diesem Tag ging alles Berg ab. Sie ließ mich damals nicht mehr an sich ran, rannte nur noch weg ohne drohte mir, in dem sie die Ohren anlegte und mir den Hintern zudrehte. Diese Situation war ein riesen Schock fuer mich. Ich weiß nicht genau, was mein Fehler war, den alles funktionierte vorher wunderbar. Mittlerweile kann ich sie manchmal vom Paddock holen, ohne dass sie mich bedroht. Mitarbeiten will sie garnicht mehr. Sie schlaegt wild mit dem Kopf und versucht sich der Arbeit staendig zu entziehen. Gesundheitlich habe ich alles checken lassen und es gibt keine Auffaelligkeiten. Ich weiß dass sie total sensibel ist und Angst vor Menschen hat, da sie damals wohl ziemlich zugerichtet wurde.
Joy hat die Kommunikation voellig eingestellt, will nicht spielen, sondern einfach nur alleine sein. Wenn ich sie dann beim longieren doch dazu bringen kann mitzumachen, sieht man in Ihrem Gesichtsausdruck, dass sie es nur tut, um negativen Konsequenzen zu entgehen. Sie interagiert nicht mit den anderen Pferden in der Herde. Ich habe ihr jetzt ca. 1 1/2 Jahre Zeit gegeben und nicht viel mit ihr gearbeitet. Ob das ein Fehler war, weiß ich leider selbst nicht. Fuer einen Profi oder Beritt kann ich momentan nicht so eine hohe Summe an Geld auftreiben.
Tut mir leid, falls diese Infos alle durcheinander sind, ich bin einfach verzweifelt und komme nicht mehr weiter.
Ich hoffe Du kannst mir Tipps geben.
Vielen Dank im Voraus!
@Sissi- ich weiß nicht, ob ich das hier “posten” darf, aber ich kenne jemanden, der dir helfen kann.
Ganz sicher…
http://www.thebuckarooranch.de
Ausnahmsweise ;-) Eigentlich sind Links in Kommentaren nicht erlaubt – aber wenn es hilft – dann ist es natürlich in Ordnung :-) Ganz liebe Grüße, Petra
Hallo liebe Sissi, Ferndiagnose ist ja immer so schwierig und deswegen kann ich leider auch nicht so viel dazu sagen – außerdem bin ich ja keine Pferdetrainerin. Ich kann dir nur meine spontanenen Gedanken schildern oder was ich mir vielleicht überlegen würde. Aber ich denke auch, dass es trotz all dem sinnvoll wäre, dass du dir einen Trainer vor Ort suchst. Das muss ja kein teurer Beritt sein – ich persönlich würde mein Pferd auch nicht weggeben in fremde Hände, sondern zusammen mit einem Trainer arbeiten wollen. Aber das ist nur mein Ansatz. Also – ich würde mir einen sanften Pferdetrainer suchen, der sich auf Problempferde und Pferdeverstehen spezialisiert hat. Und wenigstens alle 4-6 Wochen eine gemeinsame Stunde nehmen, damit euch jemand von außen betrachten und dir sagen kann, was die Stellschrauben sein könnten. Ich würde auch mal einen Osteopathen drauf schauen lassen – vielleicht hatte sie auch mal einen Sturz und keiner hats gemerkt und hat jetzt Blockaden, die die Arbeit auf dem Platz unangenehm machen und sie will deswegen nicht so gerne mit. Falls nicht, okay. Aber dann weißt du es auf jeden Fall, dass es nichts gesundheitliches ist.
Aus der Ferne betrachtet klingt es so, als ob sie „Lustlos“ geworden ist, ab dem Zeitpunkt, ab dem du sie zu anderen Pferden auf die Weide gelassen hast – sprich: ab dem Zeitpunkt, an dem sie andere Kumpels hatte und du nicht mehr der einzige „Anker“ warst? Bzw. ab dem Zeitpunkt, ab dem sie auf die Weide durfte? Weide ist natürlich DAS Highlight für Pferde. Da gibts Gras, da dürfen sie Pferd sein, da stimmt die Kommunikation, da sind die Kumpels, da will niemand was. Das ist wie Rummel und Eisdiele auf einmal. Und dann kommt da der Mensch (und vermutlich hat sie ja früher eher die Erfahrung gemacht, dass Menschen doof sind, nach deinen Beschreibungen) und der will sie da wegholen. Je nach Pferd, sagt es dann: Ich mag nicht.
Ich persönlich würde sie einfach mal behandeln wie ein Pferd, das noch Jung und Roh ist. Sprich: Ich würde mit ihr mit viel Basis-Bodenarbeit starten. Würde abwechseln – mal spazieren gehen, mal Agility, mal Schrecktraining, mal Führtraining, mal Gymnastizierung wie Seitengänge oder anderes – Schritt für Schritt. Ich würde sie sehr sehr viel loben und würde vielleicht auch testen, wie sie mit Leckerli umgeht. bzw. ihr (falls sie da unhöflich wird) erst einmal Leckerli-Höflichkeit antrainieren und dann die Leckerli ab und an als Motivator einsetzen. Ich würde die Übungen in viele klitzekleine Schritte einteilen und schon die erste Idee in die richtige Richtung loben. Usw. :-) Das wäre der langfristige Plan.
Kurzfristig würde ich einfach öfter mal auf die Weide gehen, mich hinsetzen und sie beobachten. Wie agiert sie mit den anderen Was für ein Typ ist sie in der Herde? Damit du ihren Charakter einfach noch mehr einschätzen kannst.
Dann würde ich ab und an einfach kommen, sie streicheln und wieder gehen. Ich würde das gleiche mit dem Halfter machen. Also kommen, streicheln, Halfter drauf, kurz grasen lassen. Halfter weg und wieder gehen. Das gleiche dann, wenn du sie holst. Hingehen, streicheln, holen, raus aus der Koppel, dann ein Leckerli geben und streicheln und dann vielleicht auch nur Putzen und wieder zurückbringen. Das alles immer wieder abwechseln. So lernt sie erstmal, dass es schön ist mit dir, Spaß macht mit dir, wenn du kommst heißt das nicht automtaisch „Arbeit“ und du respektierst ihren Wunsch nach Kumpels und grasen auch ein bisschen.
Das ist toll, denn das bedeutet, dass du sie miteinbeziehst und ihre Bedürfnisse. Gleichzeitig würde ich im Umgang sehr penibel aber freundlich auf Kleinigkeiten achten. Wenn du sie führst: ist sie dann achtsam? „Bewegt“ sie dich vielleicht ein bisschen – ohne, dass du es merkst. Stell dir zum Beispiel eine gerade Linie vor auf dem Weg von der Weide zum Putzplatz. Bleibst du auf der Linie oder „schiebt“ sie dich unebemerkt mit ihrer Energie immer ein bisschen weg von der Linie? Wenn ja, dann tippsle sie wieder zurück. Du hast einen persönlichen Bereich und der gilt. Wenn deine Stute ihn „betreten darf“, dann weil du sie eingeladen hast und nicht, weil sie beschliesst dich zu schubsen.
Weitere Kleinigkeiten: Wenn du sie aufhalfterst – bleibt sie dann ruhig oder schüttelt sie den Kopf? Macht sie sich groß? Ich persönlich hole mir dann den Kopf des Pferdes wieder sanft zurück und warte ruhig daneben mit dem Aufhalftern, bis es wieder ruhig mit der Nase bei mir bleibt. Das musste ich anfangs bei meiner Jungstute zum Beispiel ein paar mal mehr und jetzt eigentlich gar nicht mehr. Weil sie verstanden hat: Petra wird nicht böse, aber Petra achtet auf Kleinigkeiten und sie lässt sich nicht schubsen. Dafür bekomme ich tatsächlich ihren Respekt und das wiederum entspannt mein Pferd.
Um also diese lange Rede kurz zu machen: Ich glaube fest daran, dass Vertrauen Zeit braucht, dass es wachsen muss – auf beiden Seiten – dass wir Menschen aber in Vorleistung gehen müssen. Wir müssen zuerst Vertrauen und Sicherheit vermitteln, damit das Pferd sich darauf einlassen kann. Das ist nicht immer leicht. Aber ich denke, dass das ein Teil des Weges ist. Ich glaube auch, dass wir dem Pferd Spaß und Abwechslung bieten müssen, dass es lernt: Mit meinem Menschen ist es manchmal vielleicht anstrengend, aber unterm Strich ist es immer fair und schön. Ich glaube auch, dass wir immer höflich, achtsam und respektvoll bleiben sollten (nicht wütend, nicht laut, nicht hektisch) – dass das Pferd aber auch achtsam, Respektvoll und höflich bleiben sollte und es an uns Menschen ist, ihm zu erklären welche Höflichkeits regeln wir uns wünschen. Gleichzeitig müssen wir dem Pferd aber auch zuhören, damit es sagen kann – welche Höflichkeitsregeln es selbst gerne aufstellen will. Und dann kann man sich in der Mitte treffen :-) Falls dich das jetzt alles vollkommen erschlägt – ich denke, dass alles im Leben ein Weg ist, den wir Schritt für Schritt gehen können. Es ist nur wichtig anzufangen und den ersten Schritt zu tun. Und der ist: Lächeln, entspannen und dich daran erinnern, was du an deinem Pferd liebst. Dich über Kleinigkeiten freuen, anstatt über das zu grübeln, was nicht klappt. Und der allererste Schritt für euch beide vielleicht: Was braucht deine Stute, damit sie es schön bei dir findet? Und wer ist deine Stute? Dominant oder ängstlich? ranghoch oder Rangniedrig? Lustlos oder verunsichert? Und wenn du darauf durch beobachten die Antworten hast, kannst du anfangen so mit ihr zu arbeiten, wie es zu ihrem Charakter passt. Plus: Vielleicht mit einer kleinen sporadischen Trainerhilfe ab und an und immer natürlich auch mit Blick auf deine Sicherheit. Ich hoffe, ich habe dir mit meinen vielen Gedanken weiterhelfen können und schicke dir ganz liebe Grüße, Petra
Liebe Herdis,
ich habe einen echten König und somit den besten Lehrer überhaupt=)
Er ist, egal in welcher Herde er schon einmal stand, immer Chef gewesen. Zur Zeit führt er mit seiner Stute eine Herde aus neun Pferden an… Fohlen, Junghengst, alte Stuten, Wallache,.. alles bunt gemischt =) Und da sind wir gleich bei dem Punkt- Was macht euer Pferd besonders glücklich- genau das =)
Leider verlangt ihm das Chef sein aber auch viel ab. Die Pferde sind immer zusammen, „non-stop“ und er hat immer die Verantwortung. Leider ist er chronisch dämpfig und auf seine alten Tage merke ich ihm manchmal an, dass ihm manchmal die Kraft fehlt. Da ist er richtig froh, wenn ich ihn raus hole und wir gemeinsam grasen gehen.. Da entspannt er. Und das ist auch die Art und Weise, wie er Zeit mit mir verbringen will. Wenn der Akku aufgeladen ist und er keine gesundheitlichen Probleme hat, trailen wir im Wald und da darfs auch gerne mal etwas Action geben. Aber die meiste Zeit braucht er mich als Ruhepol. Das hat lange gedauert, bis ich das bemerkt habe. Einfach gemeinsam Zeit verbringen- das tun wir am liebsten.
Und seine größte Motivation- mh… schwierig… er gibt alles, wenn ich gut genug bin. Er ist eben mein Lehrer. Am meisten dankt er es mir, wenn wir frei, ohne Halfer, Seil etc… arbeiten. Da sind wir viel besser, als mit „Hilfsmitteln“. Wir beide! Er will, dass ich es immer erstmal „ohne“ versuche. Das ist wohl die größte Fairness und Freiheit, die ich ihm bieten kann .
Was möchte er mir sagen? Dass wir Menschen unsere Sinne mehr einsetzen müssen. Allen voran unser Gefühl. Und dass Werte wie Ehrlichkeit und Respekt niemals vorgespielt werden können, sondern aus dem inneren unserer Herzen kommen. Und, dass wir den Pferden nie ihre Freiheit und Würde nehmen dürfen. Dann ist es eine wahre Freundschaft.
Ich liebe meinen Sevillio, wie ich wahrscheinlich niemanden auf der Welt liebe. Ich bin jeden Tag dankbar über die Dinge, die er mir lehrt und er ist ein richtiger König.
Liebe Herdis, liebe Petra,
selbstverständlich ist mein Ponymann, der schlauste, süßeste, tollste, netteste, hübscheste und einfach ganz und gar beste Ponymann der Welt ;). Da war jetzt meine sehr objektive Einschätzung von meinem kleinen Mann ;).
Meiner Erfahrung nach, muss man hier ganz genau hin spüren und manchmal auch genauer hin schauen. Zum Beispiel würde man von außen betrachtet meinem Pony wohl eine gewisse Sturheit zuschreiben. Ich habe auch etwas gebraucht um zu erkennen, dass er in Situationen in denen er angeblich stur ist, oft Angst dahinter steckt. Er ist ein Mini-Shetty und damit nicht gerade ein hochblütiges Pony ;). Aus diesem Grund neigt er auch überhaupt nicht zu temperamentvollen Ausbrüchen, wenn er Angst hat. Selten passiert es, dass er mal einen Satz zur Seite macht oder gar panisch wegrennt (das habe ich eigentlich in den 3 1/2 Jahren die er nun bei mir ist noch gar nicht erlebt). Er bleibt einfach stehen. Wenn ihm etwas Angst oder Kummer macht, wird er ganz ruhig. Ja fast schon starr. Er zieht sich in sich selber zurück und wartet wohl darauf, dass es vorrüber geht. Anfangs habe ich das falsch verstanden. Ich hatte gedacht, dass er stur und eigensinnig ist in diesen Momenten und komplett übersehen, dass er Angst auf diese Weise zeigt. Hier hat es einiges an Kennenlernen, an Umdenken (nicht jedes Pferd zeigt Angst auf die selbe Art und Weise) und an Hinspüren gebraucht um ihn wirklich zu verstehen.
Das ist nur ein Beispiel dafür, dass es oft einen genaueren Blick braucht um sein Pferd wirklich kennen zu lernen. Oft steckt man die Pferde in eine gewisse Schublade und übersieht dabei wichtige Dinge. So ging es mir jedenfalls, denn wer denkt bei Shettys nicht an Sturheit und Eigensinn?
Ich habe viel Zeit einfach auf der Weide von meinem Pony verbracht bzw. tue das noch heute. Dabei kann ich ihn wunderbar in der Herde und seinem Alltag beobachten und lerne so viel über ihn. Auch wenn wir uns schon gut kennen, lerne ich doch immer wieder neue Seiten an ihm kennen. So z.B. als das neue Fohlen in die Herde kam. Ich hätte nie gedacht, dass er sich hier als geduldiger Babysitter erweist, der lange Zeit sich von dem Fohlen alles gefallen lässt. Ist er sonst doch eher zurückhaltend mit anderen Pferden und mag wilde Spiele überhaupt nicht.
Ich finde dich Antwort auf die Fragen spannend:
•Was macht euer Pferd besonders glücklich?
Ich denke zunächst mal natürlich eine artgerechte Haltung. Seine Mädelsgruppe ist ihm wichtig. Die Herde ist ein richtiger Familienverband. Von jung bis älter ist alles vertreten und er wurde super darin aufgenommen. Er hat ständig zu fressen und ausreichend Platz zur Bewegung. Wobei glücklich macht es ihn vielleicht nicht, weil das für ihn selbstverständlich ist. Er ist aber stolz und zufrieden, wenn er Aufgaben von der Herdenchefin übertragen bekommt. So hatte er z.B. einmal für zwei Tage die Aufgabe des Aufpassers bekommen. Was war er stolz und es war ihm so wichtig. Er ist ganz stolz die Weide abgeschritten und hat nach Gefahren Ausschau gehalten. Er war so damit beschäftigt, dass er gar keine Zeit für mich hatte. Da habe ich auch über ihn gelernt, dass er gerne Verantwortung trägt. Dieses Wissen nutze ich in sofern, dass ich ihn immer wieder Entscheidungen treffen lasse z.B. darf er auch einem Spaziergang durchaus mal den Weg wählen.
•Was motiviert es ausgesprochen gut?
Motiviation entsteht bei uns denke ich in erster Linie dadurch, dass er sich selber ausprobieren kann und darf. Bei neuen Übungen versuche ich meistens, dass er den Weg selber findet wie er ein Problem lösen kann. Ich bin jetzt mal ehrlich und denke er ist nicht übermäßig schlau. Ich denke so mittelmäßig intelligent ist er wohl. Aber dadurch, dass er es gewohnt ist, selber Lösungen zu suchen, lernt er schnell. Das ist eine Trainingssache. Natürlich hilft auch ein Stück Möhrchen bei der Motiviation. Aber das ist nicht die Hauptmotivation, denn im Eifer des Gefechts wird manchmal auch vergessens ich diese abzuholen.
•Wie möchte euer Pferd am liebsten mit euch zusammen arbeiten?
Am allerliebsten würde er immer nur Ball spielen. Es gibt bisher nichts, was ihm so viel Spaß macht wie der große Gymnastikball. Dieser wird getreten und gebissen ohne Rücksicht auf Verluste ;). Prinzipiell ist er natürlich mehr dafür zu haben die Dinge frei zu erarbeiten wie am Strick. Was er meistens überhaupt nicht so gerne mag sind Übungen, die ihn in seiner Bewegungsfreiheit einschränken wie Stillstehen, Anbinden oder Hufe geben.
•Was möchte es euch sagen
Hm, er legt Wert auf einen höflichen und respektvollen Umgang. Wenn ich das respektiere, habe ich ein fröhliches und motiviertes Pony.
Wahrscheinlich wollte er mehr Möhrchen ohne was dafür tun zu müssen ;)
Liebe Grüße
Miriam