Stell dir vor, du hast einen neuen Job. Du bist umgezogen. Du kennst niemanden. Weder privat noch beruflich. Alles ist anders. Du kommst in dein Büro. Der erste Tag. Du siehst nur fremde Gesichter und kennst die ganzen Wege noch nicht, geschweige denn die Telefonnummern deiner Ansprechpartner und Kollegen. Dein neuer Chef kommt zu dir, schüttelt dir die Hand und knallt dir gleich mal eine fette Aufgabenliste vor die Nase. So, sagt er, dann legen sie mal los! Bis heute Mittag ist das alles bitte erledigt. Wie fühlst du dich dabei? Und jetzt stell dir vor, du bist dein Pferd. Du bist eben erst umgezogen. Du weißt gar nicht wie dir geschieht, es war ja keine bewusste Entscheidung. Gestern warst du noch mit deiner Herde und Familie zusammen, dann kam ein dicker Transporter und einige Stunden später ist alles anders. Neue Pferde, ein neuer Ort, eine neue Halle und neue Wege. Überall könnten Raubtiere und Gefahren lauern. Du musst ganz dringend entspannen und checken, ob alles wirklich sicher ist, wo sich das Futter befindet und wo das Wasser. Dein neuer Besitzer kommt zu dir, klopft dir gleich mal auf den Hals, knallt dir den Sattel auf den Rücken. So, sagt er, dann legen wir mal los! In der nächsten Stunde will ich bitte alle Dressurlektionen und danach einen gemütlichen Ritt erleben. Wie fühlst du dich dabei?
Wenn wir ein neues Pferd haben, dann ist nicht nur das Pferd neu für uns sondern auch für das Pferd ist alles neu. Egal ob es schon ein fertig ausgebildetes Pferd oder ein alter Hase ist.
Für mich gilt: Jedes Pferd ist wie ein Jungpferd, wenn es neu irgendwo ankommt. Auch mein eigenes Pferd. Wir sind vor kurzem umgezogen in einen anderen Stall. Dazu werde ich nächste Woche noch einen eigenen Artikel verfassen. Weil für meine Stute nun alles neu war am neuen Stall haben wir nicht direkt dort angesetzt, wo wir am alten Stall aufgehört haben, sondern nochmal ganz von vorne gestartet. Wie ich das Schritt für Schritt gemacht habe, erkläre ich dir gleich. Erst einmal ein paar Gedanken zu dem Thema „Neuanfang“. Egal ob mit deinem eigenen Pferd, einem neuen Pferd oder einem Jungpferd.
Warum Pferde ankommen müssen
Ein Pferd hat es verdient ankommen zu dürfen. Wir verpflanzen die Pferde gerne mal von A nach B, nehmen sie auf Kurse oder Turniere mit und verdrängen dabei ein bisschen, dass sie Strukturen lieben, ihre Gewohnheiten brauchen um sich sicher zu fühlen und sich in Routinen aufgehoben fühlen.
Pferde können natürlich auch Routinen im Unterwegssein bekommen. Aber auch das braucht Zeit. Die sollten wir ihnen gönnen. Wenn du also ein neues Pferd hast, dann ist es wichtig nicht zu vergessen, dass für dein Pferd alles neu ist:
- Du solltest ihm Zeit geben sich einzugewöhnen und alles kennenzulernen. Die neuen Orte, die neuen Pferde, die neue Luft, das neue Heu, das neue Stroh, die neue Box oder das neue Paddock.
- Sei einfach bei deinem Pferd, beobachte es und gib ihm durch deine Anwesenheit Sicherheit, wenn es nötig ist.
- Gönne euch beiden einige Tage oder Wochen der Ankunft und mach einfach mal nichts, solange bis dein Pferd dir sagt, dass es jetzt bereit ist wieder etwas zu machen
Du brauchst auch gar nicht viel an Ausrüstung am Anfang. Da reichen ein oder zwei Basics für euch beide. Ich achte da auf sehr gute Qualität und habe lieber wenig, aber dafür gute Sachen:
- Ein gutes Knoti mit Rope – bekommst du HIER
- Ein gut sitzendes und bequemes Halfter mit Führstrick – HIER bekommst du mein Lieblingshalfter mit besonders weicher Nasen- Und Genickpolsterung
- Eine Gerte oder ein Stick als Verlängerung deines Armes: Eine Gerte bekommst du in jedem Pferdeshop. Einen guten und leichten Stick haben wir HIER im Shop
Jedes Pferd ist anders
Das ist bei jedem Pferd etwas anders. Meiner Stute wollte ich nach dem Umzug beispielsweise ein paar Wochen Nichtstun gönnen. Nach wenigen Tagen war sie schlecht gelaunt und wollte nicht in ihren Laufstall, wenn ich sie bringen wollte. Sondern stand da und hat mich erwartungsvoll angeschaut. Da wusste ich, dass sie etwas für Kopf und Körper mit mir tun möchte. Also haben wir schon nach einigen Tagen wieder angefangen etwas miteinander zu machen. Was genau, erzähle ich dir gleich noch.
Das eine Pferd wird Wochen brauchen, bis es wieder etwas machen will, das andere nur Tage. Höre da einfach auf dein Bauchgefühl und beobachte das Verhalten deines Pferdes. Dann wird es dir sagen, wann es wieder loslegen möchte.
Nun noch ein Gedanke zu Jungpferden, weil ja auch für Jungpferde vieles neu sein kann – selbst wenn sie in ihrem alten Stall angeritten werden. Aber auch nach einem Umzug.
Der Start mit dem Jungpferd
Noch eine Situation: Stell dir vor, du kommst in die erste Klasse. Du kannst weder richtig lesen noch schreiben oder rechnen. Dann kommt der Lehrer und will direkt Gleichungen lösen und dass du vor der ganzen Klasse einen Text vorliest. Du verzweifelst, weil du gar nicht verstehst, was er will. Aber der Lehrer fordert und fordert und wird immer lauter dabei.
Und jetzt stell dir vor, du bist dein Pferd. Du kommst in die Halle und sollst schon ganz brav am Strick mitlaufen, antraben und am besten noch deinen Popo auf ein Gertensignal hin wegbewegen. Aber du kennst diesen wedelnden Stock vielleicht noch gar nicht, weißt nicht, was der Mensch will, wenn er dich am Popo mit der Gerte berührt und verzweifelst, weil du gar nicht verstehst, was er will.
Jungpferde sind wie ein weißes Blatt. Sie kennen die Zusammenarbeit mit dem Menschen vielleicht noch nicht. Sie haben noch lange nicht die richtige Balance in ihrem Körper. Vielleicht wachsen sie auch immer mal wieder und verlieren die gerade gewonnene Balance so immer wieder. Deswegen brauchen sie besonders viel Zeit und Liebe und Geduld.
Wenn dir ein Bereiter erzählt, dass er dir dein Jungpferd in 3 Monaten ausbilden kann, dann kündige ihm. Das geht vielleicht auf dem Papier. In der Praxis funktioniert das nur mit viel Druck und vielleicht sogar Gewalt. Das ist weder eine besonders schöne erste Erfahrung, noch fördert es das Vertrauen in den Menschen. Und du willst doch ein motiviertes, zufriedenes und vertrauensvolles Pferd, oder?
Das Beste, was du machen kannst: Such dir einen feinen und sanften Trainer vor Ort und sei dir bewusst, dass es Jahre dauern wird, bis dein Pferd ausgebildet ist – wenn du sanft und fein und liebevoll vorgehen willst. Und dann nimm dir Zeit. Ganz viel Zeit! Und trainiere dein Pferd langsam und bewusst zusammen mit deinem Trainer.
Und denke immer an den Grundschüler, der noch nichts versteht. Dazu gehören auch alltägliche Dinge wie Hufe geben oder Putzen oder Anbinden oder Führen. Alles ist neu für ein Jungpferd und es sollte das alles mit Liebe lernen und nicht mit Druck oder gar Zeitdruck.
Kommen wir mal zu den ersten Schritten, die ich gehe, wenn ich den (Neu)Start mit meinem Pferd mache.
[the_ad_group id=“1027″]
Die richtige Ausrüstung für den Start
Du brauchst auch gar nicht viel an Ausrüstung am Anfang. Ich habe sie Anfangs schon mal erwähnt. Trotzdem hier nochmal kurz die Zusammenfassung, bevor wir mit der Praxis loslegen. Da reichen Anfangs wirklich ein oder zwei Basics für euch beide. Ich achte da auf sehr gute Qualität und habe lieber wenig, aber dafür gute Sachen:
- Ein gutes Knoti mit Rope – bekommst du HIER
- Ein gut sitzendes und bequemes Halfter mit Führstrick – HIER bekommst du mein Lieblingshalfter mit besonders weicher Nasen- Und Genickpolsterung
- Eine Gerte oder ein Stick als Verlängerung deines Armes: Eine Gerte bekommst du in jedem Pferdeshop. Einen guten und leichten Stick haben wir HIER im Shop
Jetzt kommen wir zu den Schritten, die ich der Reihe nach mit einem neuen Pferd gehe. Als meine Stute als Jungpferd zu mir kam waren die Schritte ähnlich. Nur haben wir für alles deutlich mehr Zeit gebraucht. Da sie all das schon aus ihrer Ausbildung kannte, gingen diese ersten Schritte diesmal innerhalb weniger Wochen. Die Fotos sind aus dem Archiv, weil ich diesmal die verschiedenen Schritte nicht fotografisch festgehalten habe
[the_ad_group id=“1027″]
7 Schritte für den gelungenen Start mit deinem Pferd
- Ankommen und beschnuppern: Lass dein Pferd ankommen und setze dich auch einfach mal ein paar Stunden auf seine Weide mit ihm oder in die Box. So kann es dich und die neue Umgebung beschnuppern.
- Das Zuhause kennelernen: Dann kannst du immer weitere Kreise drehen und ihm langsam alle Klassenräume zeigen. Die neue Halle, den neuen Platz und all die neuen Orte am Stall. Gehe einfach dorthin, stell dich mit deinem Pferd hin. Gib ihm die Chance sich umzusehen und laufe erst einmal einfach mit deinem Pferd mit. So kann es selbst bestimmen, welche Ecken es besonders interessieren und welche Ecken eher unwichtig sein. Das kannst du ein paar Mal machen. Ist dein Pferd an irgendeinem Ort verspannter? Dann nimm dir dort besonders viel Zeit und gehe in den folgenden Tagen immer wieder hin, bis es auch dort langsam entspannen kann.
- Führtraining und die erste Kommunikation: Wenn dein Pferd einigermaßen angekommen ist, kannst du mit dem Führtraining starten. Du kannst ihm eine gewünschte Führposition zeigen und darauf achten, dass es diese Position einhält. Wenn das geradeaus klappt, kannst du Kurven und Kreise und Richtungswechsel einbauen und deinem Pferd immer wieder zeigen, dass es diese Position einhalten soll und so auch seine Achtsamkeit und Aufmerksamkeit einfordern.
Wenn das alles klappt, kannst du das Stop und das Rückwärts üben. Das baust du einfach in dein Führtraining ein. Immer wieder in den verschiedensten Positionen und an verschiedenen Punkten. - Gangarten- und Tempiwechsel: Wenn ihr im Schritt versiert seid, kannst du den Trab dazu nehmen und immer mal wieder zwischen Trab und Schritt wechseln. Anfangs reichen ein paar schöne Schritte und schöne Übergänge. Achte vor allem darauf, dass die Übergänge schön weich werden. Das ist eine richtige Aufgabe und kann je nach Pferd auch etwas Zeit kosten. Wenn das alles klappt, kannst du innerhalb der Gangarten Tempiwechsel üben. Dazu bittest du dein Pferd wieder in die Führposition und verlangsamst oder beschleunigst deine eigenen Schritte und deinen Fokus. Dein Pferd sollte dann entsprechend langsameren oder schnelleren Schritt oder Trab laufen.
- Erste Spaziergänge: Du kannst Punkt 3 und 4 auch hin- und hertauschen. Je nachdem, wie du dich mit deinem Pferd fühlst. Auf jeden Fall sollte dein Pferd sich gut führen, stoppen und rückwärtsrichten lassen, bevor du ins Gelände mit ihm gehst. Das ist zumindest mein Mantra :-) Spaziergänge sind grandios!
HIER findest du einen Artikel dazu, was Spaziergänge für dich und dein Pferd tun können - Vor- und Hinterhandwendung: Ich arbeite dann an der Schulter und der Hinterhand. Ich bringe meinem Pferd bei mit der Hinterhand oder die Schulter zu weichen, wenn ich mich annähere oder mit Schulter beziehungsweise Hinterhand auf mich zuzugehen, wenn ich den „äußeren Schenkel“ mit der Gerte vom Boden aus simuliere
- Gelassenheitstraining: Du kannst diesen Punkt auch immer zwischendurch einschieben. Wenn du zum Beispiel ein besonders schreckhaftes Pferd hast oder ein Pferd, das im Gelände extrem nervös und gestresst ist, wäre es sinnvoll das Gelassenheitstraining vorzuzuziehen, damit dein Pferd zusammen mit dir lernen kann Mutiger und Vertrauensvoller zu werden, weil ihr in der kontrollierten Situation am Platz lernt Abenteuer zu bestehen. Du kannst zum Beispiel mit den ersten zwei Spielen von Pat Parelli starten und erst einmal schauen wie dein Pferd auf ein Seil an seinem Körper reagiert und dann ins Gelassenheitstraining mit Gegenständen starten.
Zum Gelassenheitstraining findest du HIER einen Artikel
Das waren die Schritte, die ich mit meinem Pferd als Jugpferd und jetzt auch nach dem Umzug wieder gegangen bin. Wir haben diesmal nur wenige Tage gebraucht, da sie alles schon kennt. Trotzdem finde ich wichtig in einem neuen Zuhause neu zu starten und nicht zu viel zu wollen, denn für das Pferd ist alles anders und alles neu. Da erscheint es mir nur fair, dem Pferd alle Zeit der Welt zu geben.
[the_ad_group id=“1038″]
Hi Petra! Vielen Dank für all die vielen, tollen Artikel! Ich bin grad in den finalen Vorbereitungen für den Kauf einer tollen Stute, die ebenfalls noch die gesamte Ausbildung vor sich hat. Ich freue mich so auf unseren gemeinsamen Weg! Ich konnte mir hier schon viele tolle Informationen holen und fühle mich schon gleich besser vorbereitet :D. Ich hoffe, ich habe nicht den betreffenden Artikel übersehen, ich frage mich, wie du mit deiner süßen in eine neue Herdengemeinschaft „eingetreten“ bist. Ich möchte auf jeden Fall vorsichtig sein, und keine großen Kämpfe und Verletzungen riskieren. Ich hoffe, ich kann sie im neuen Stall erstmal auf einen separaten Paddock neben die zukünftige Herde stellen, damit sie sich aneinander gewöhnen können. Hast du noch spezielle geheimtipps ;)? lieben Dank für all deine großartigen Beiträge! Du machst die Reiterwelt um einiges wertvoller!
Hallo liebe Anja, wie schön – ein Stütchen. Ich mag Stuten sehr gerne :-) Ein bisschen entscheidet das ja leider auch immer der Stall. Im alten Stall wurde meine Stute zur Graszeit zu den anderen gesteckt. Das ging nur mit ein bisschen Diskussionen aus, leider. Da hatte ich nichts mitzureden. Im neuen Stall haben wir mit einer Trennung langsam eingegliedert oder tun es noch. Das ist wesentlich besser. Wenn du also einen Stallbesitzer hast, der das mitmacht, ist das ein toller Weg. Ganz liebe Grüße und viel Erfolg beim Eingliedern und ankommen, Petra
Liebe Petra,
wie wahr, oft wollen wir viel zu viel und sind zu schnell mit unseren Erwartungen. Für das Pferd ändert sich alles mit einem Umzug. Denn sind wir mal ehrlich, wir sind nur ein sehr kleiner Teil es Alltags unserer Pferde.
Als unsere drei Minis zu uns gezogen sind, haben sie sehr unterschiedlich reagiert.
Der Ponymann ist nicht so leicht zu erschüttern. Er hat einen Tag lang auf dem Paddock Gas gegeben. Er ist hoch und unter galoppiert, war aufgeregt und das war’s dann. Schon am nächsten Tag war er wie immer und hat mich rausfordernd angeschaut und wollte was mit mir machen. So kam es, dass wir tatsächlich nach 2 Tagen nach dem Umzug den ersten Mini-Spaziergang gemacht haben. Da war er dann zwar ziemlich aufgeregt und die Mädels entsprechend empört, dass ich ihn mitgenommen habe, aber er hat es auch genossen und sich sehr schnell eingelebt.
Unsere Pferdedame hat einige Zeit länger gebraucht. Sie ist die Chefin der Truppe und hat die erste Zeit so gut wie gar nicht geschlafen. Sie hat rund um die Uhr versucht aufzupassen, jeder Spaziergänger am Zaun wurde „bedroht“ mit Stapfen und Kopfschütteln. Sie war recht zickig zu den anderen zweien und hat unruhig gefressen. Das hat sich nach ca. 2 Wochen gegeben und dann war es auch gut. Mit ihr habe ich anfangs gar nichts gemacht, denn damit hätte ich ihre Konzentration bei mir gebraucht und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie das gerade will und kann. Also hab ich sie ihren „Job“ machen lassen und gewartet. Ich habe sie auch bewusst nicht aus der Herde geholt in dieser Zeit, da sie das mit Sicherheit nicht gut gefunden hätte, wenn die zwei anderen „schutzlos“ zurück geblieben wären.
Unser Ponymädchen wurde depressiv und das hat sich sehr lange gehalten. Bestimmt ein halbes Jahr war sie sehr introvertiert, hat sich von den anderen abgekapselt, wollte von uns nicht wirklich was wissen und wurde immer ruhiger und stiller. Mit viel Zeit, einfachen Übungen, gar keinen Erwartungen und viel Liebe, wurde es mit der Zeit. Das hat aber gedauert.
Ich denke oft unterschätzen wir einfach was das für Pferde bedeuten kann. Auch hier hilft wieder mal hinspüren, beobachten und achtsam sein.
Liebe Grüße
Miriam