Interview mit einem Buckaroo der alten Schule – Paul Dietz hat schon mit 14 Jahren bei Buck Brannaman gelernt, er nennt Ray Hunt und Tom Dorrance seine Lehrmeister und ist ein amerikanischer Cowboy. Wir haben mit ihm über Kommunikation, die Seele der Pferde und die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Pferd gesprochen. Wir haben aber auch darüber gesprochen, wie gutes Horsemanship aus seiner Sicht aussieht. Druck und Gegendruck diskutiert und warum Timing und Energie zu den wichtigsten Bausteinen des Pferdetrainings gehören.
Gutes Pferdetraining
Pferdeflüsterei: Was ist gutes Horsemanship für dich?
Paul Dietz: Vermutlich ist es die Gedanken der Pferde über das zu stellen, was wir mit ihnen erreichen wollen. Mehr eine Haltung des Gebens, als nur zu versuchen, sie zu etwas zu bringen.
Pferdeflüsterei: Wie wichtig sind Druck und das Nachlassen von Druck (Pressure and Release) für deine Form des Trainings?
Paul Dietz: Jedes Pferd ist ein Individuum. Manche Pferde brauchen Grenzen. Aber mein größtes Ziel ist es immer, den Pferden die Pause geben zu können und nicht Druck ausüben zu müssen. Denn die Pferde lernen nicht durch Druck, sondern durch die Pause. Aber wir müssen auch Grenzen setzen können. Wenn du nicht genug gibst und das Pferd überrennt dich, dann musst du Grenzen setzen. Aber das wichtigste ist das Herz. Dein Herz muss gut geschützt sein, da muss eine Grenze sein, um dein Herz zu schützen. Aber dein Herz kann den Pferden auch viel zurückgeben. Das ist meine wichtigste Trainingsvorgabe, den Pferden auch immer etwas zurückzugeben.
Pferdeflüsterei: Brauchen wir aus deiner Sicht auch die Regeln, damit unsere Pferde uns vertrauen als Leader? Das ist ja eine These vieler Horsemen…
Paul Dietz: Es braucht ein paar Regeln. Wenn dein Pferd dich überrennt oder dich runterbuckelt, dich stößt oder dich tritt, lebst du vielleicht nicht lange genug. Es braucht Grenzen und Regeln. Aber ein Pferd hat ja ein ganzes Leben. Ein ganzes Leben um das zu lernen. Du musst es ja nicht alles heute erreichen mit deinem Pferd. Es dauert einfach, das Vertrauen aufzubauen.
Aber Respekt ist eine sehr natürliche Sache für Pferde. Sie haben eine Art Blase oder Präsenz um sich herum. Wenn sie in einer Herde sind und sich wohl miteinanderfühlen, kommen sie sich sehr nahe. Aber sie ziehen keinen Vorteil daraus. Wenn ein Pferd anfängt das andere zu schubsen, dann kommt diese Blase wieder ins Spiel und das andere Pferd wird anfangen, seine Blase zu verteidigen.
Die Bedeutung von Respekt
Pferdeflüsterei: Es geht also darum immer den eigenen Bereich zu verteidigen. Oder eben dem Pferd zu erlauben mir nahe zu kommen, wenn ich das möchte?
Paul Dietz: Ja, genau. Du musst sagen, wie nah das Pferd dir kommen darf. Es hängt bei mir immer davon ab, wie leicht und weich das Pferd ist, wie groß oder klein meine Blase ist im Pferdetraining.
Pferdeflüsterei: Im Kurs hast du einen kleinen Norweger trainiert. Das Pferd war zugegebenermaßen sehr stur. Aber das sah zum Teil sehr laut aus für mich, zu laut. Ging es dir dabei darum „deine Blase“ zu verteidigen?
Paul Dietz: Er ist im Grunde durch meine Blase durchgerannt und wollte mir nicht aus dem Weg gehen. Bei Pferden spielt eine Rolle, wer wen bewegt. Wenn er es schafft mich wegzubewegen, lernt er im Grunde nur immer härter zu schubsen und zu drängeln. Aber er muss lernen, dass er seine Füße wegbewegt, wenn ich das möchte. Ich möchte derjenige sein, der in dieser Partnerschaft der Leader ist. Ich bin derjenige, der den Tanz führt. Es ist eine Partnerschaft. Aber nicht 50 / 50. Ich habe 51 Prozent in dieser Partnerschaft. Das Geschenk, das ich ihnen dann für das eine Prozent zurückgeben kann ist Frieden und Sicherheit.
Pferdeflüsterei: Ist die Pause, der Frieden das einzige Lob? Es gibt gefühlt 30 verschiedene Arten zu Loben. Von Streicheln bis Leckerli. Es gibt aber auch Trainer, die die Pause als einziges Lob nutzen. Wie trainierst du?
Paul Dietz: Das Nachlassen von Druck ist mehr der Start des Lobs. Frieden ist dann die tatsächliche Belohnung. Ich persönlich mag keine Futterbelohnung. Das funktioniert sehr gut bei Hunden. Bei Raubtieren. Aber Pferde sind keine Raubtiere. Streicheln kann bei manchen Pferden gut funktionieren. Du musst sie aber richtig streicheln. Viele Menschen wissen nicht, wie man ein Pferd richtig streichelt.
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Pferdeflüsterei: Wie streichelt man richtig aus deiner Sicht?
Paul Dietz: Du schließt deine Finger und streichelst sanft. Denk an eine Mutter dabei, die ihr Fohlen mit der Zunge abschleckt. Aber manche Pferde mögen es gar nicht angefasst zu werden. Viele Leute streicheln dann zu viel. Das Pferd gewöhnt sich vielleicht daran, aber mag es nicht unbedingt.
Pferdeflüsterei: Ich persönlich streichle und lobe sehr viel. Ich mag auch ein Training der kleinen Schritte. Dann muss ich gar nicht so laut werden. Kommen wir nochmal zu dem sturen Norwegerpony, das du im Kurs rückwärts richten wolltest. Für mich war die Anfrage ziemlich laut…
Paul Dietz: Es gibt immer einen sanften Deal zuerst. Aber wenn das Pferd das ignoriert und mich überrennt, dann wird es manchmal eben laut. Aufgrund meiner Erfahrung mit anderen Pferden, wusste ich, dass es ziemlich heftig werden würde, wenn ich nicht laut geworden wäre. Ich habe über 1000 Pferde trainiert und wusste aufgrund dessen, dass er sich sehr fest gemacht hätte und mich weggeschubst hätte. Deswegen habe ich mir die verschiedenen Versuche erspart, und ihn nach der freundlichen Bitte, gleich laut gefragt zu tun, was ich von ihm wollte.
Lautstärke – warum?
Pferdeflüsterei: Du wolltest ihn aufwecken?
Paul Dietz: Nicht wirklich aufwecken – er brauchte eine Grenze. Er musste lernen, dass meine Blase wertvoll ist und er mich nicht aus dem Weg schubsen kann. Er hatte gelernt, dass er alles aus dem Weg schubsen kann. Es ist wie bei einem Zaun. Er würde den Zaun da drüben sicher mehr respektieren als die Menschen. Er versucht nicht diesen Zaun zu überrennen. Aber es braucht Grenzen.
Ich bin dann wie der Zaun. Es gibt sehr viele Plätze um diesen Zaun herum, an denen er keinen Druck bekommt. Nur wenn er versucht den Zaun zu überrennen und das Stromkabel berührt, dann piekst es eben kurz. So drängelnd und stur wie er ist, musste er lernen den Zaun zu respektieren. Es ist wie bei einem Auto. Du würdest es auch nicht Richtung Zaun fahren lassen, sondern immer wieder auf die Strasse zurücklenken. Nur bei Pferden hast du nicht einen Knopf, sondern musst es immer wieder individuell betrachten. Es wechselt von Sekunde zu Sekunde und von Minute zu Minute, wie es tickt. Ich mag es nicht Druck auszuüben, genauso wenig wie er den Druck mag. Aber er hat die Wahl. Ich möchte, dass er mich respektiert und dafür respektiere ich auch das Pferd.
Pferdeflüsterei: Es geht darum, sich gegenseitig zu respektieren..
Paul Dietz: Ich lasse dem Pferd seinen Frieden, wenn er meinen Bereich respektiert. Frieden ist das Geschenk, das ich ihnen machen kann als Fluchttier. Sie leben seit tausenden von Jahren als Fluchttier mit wenigen Verteidigungsmöglichkeiten. Sie leben deswegen immer in Alarmbereitschaft und sind sich ihrer Umgebung sehr bewusst.
Wenn also etwas Außergewöhnliches passiert, sind sie sofort in Fluchtbereitschaft. Ihre erste Wahl ist immer die Flucht. Wenn sie nicht in eine Ecke getrieben werden, dann kämpfen sie natürlich. Ich bin nicht die erste Person, die mit ihm arbeitet. Aber es hat nichts geändert. Er wusste genau, was Druck ist und war bereit dagegen anzugehen. Aber er hat noch keinen Menschen getroffen, der ihm dabei geholfen hat sich zu verändern.
Pferdeflüsterei: Hast du deswegen im Training mit ihm immer wieder die Richtung geändert? Um einen Wechsel in seinem Kopf zu erreichen?
Paul Dietz: Die Richtungswechsel geben mir ein Bild davon, wie er seine Füsse bewegt und ich kann testen inwieweit er sich bewegen lässt. Wenn er nicht lernt seine Füsse in die Richtung zu bewegen, die ich möchte, wird er nie lernen meine Grenzen zu respektieren.
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TEIL 1 des Interviews über die Seele der Pferde findest du HIER
Beitrag über Horsemanship und den Kurs bei Paul Dietz findest du HIER