Körper und Seele gehören zusammen. Das wussten schon die Philosophen in der griechischen Antike. Irgendwie haben wir modernen Menschen das vergessen oder verlieren es in der Hektik des Alltags oder unter der Schwere unserer Erwartungen und Vorstellung von Perfektion gerne mal aus den Augen. Auch im Zusammensein mit unseren Pferden. Dabei ist es doch eigentlich logisch, dass ein Pferd nur dann loslassen kann im Hals oder Genick und schwungvoll laufen kann, wenn wir es loslassen und ihm erlauben sich wohlfühlen. Losgelassenheit ist letztlich kein Zustand, den wir erzwingen können. Denn er hat ganz viel auch mit der Seele und dem Wohlgefühl zu tun.
Ganzheitliches Pferdetraining
Wie soll also dein Pferd loslassen und freudig schwungvoll laufen, wenn du es kritisch und streng betrachtest, während du zum Beispiel immer wieder mit der Gerte tippselst und extrem genau Vorstellungen davon hast, wie es seine Beine exakt setzen soll? Verstehe mich nicht falsch: Natürlich ist es wichtig, dass dein Pferd lernt korrekt und gut zu laufen, so dass es dich gesund tragen kann. Pferde sind ja eigentlich nicht zum Reiten gemacht, also müssen wir ihnen durch das richtige Training dabei helfen die Muskeln zu entwickeln, die sie brauchen, um uns gesund tragen zu können. Aber das sollten sie mit Freude und ganzer Seele tun dürfen und nicht nach strengen und starren Regeln und knallhartem Training.
Wie du mit dem richtigen Training ein feines, motiviertes und gesundes Pferd bekommen kannst
Deswegen ist es so unglaublich wichtig, die Seele und die Freude ins Training miteinfließen zu lassen, damit dein Pferd den Raum hat sich lockerzumachen und freudig mit dir zu trainieren. Lisa Kittler (www.ganzheitliche-pferdegymnastizierung.de) hat sich genau das zu ihrem Motto gemacht. Sie hält Kurse und schreibt Bücher zum Thema “Schöne Pferde durch Training” und hat ein ganzheitliches Pferdetraining entwickelt. HIER bei uns im Shop bekommst du auch ihr grandioses Buch “!Schöne Pferde durch Training” – das ich persönlich sehr liebe und dir unbedingt ans Herz legen kann
Im Interview erklärt sie dir, wie du dein Pferd fein und gesund trainieren kannst, was gutes Pferdetraining für sie ausmacht und wie du dein Pferd motivieren kannst.
Interview mit Lisa Kittler über ganzheitliches Pferdetraining und wie du dein Pferd zu einem schwungvollen und motivierten Reitpferd ausbilden kannst
Pferdeflüsterei.de: Was macht aus deiner Sicht gutes pferdefreundliches Pferdetraining aus und was gehört an Basis-Elementen alles dazu?
Lisa Kittler: Ein pferdefreundliches Training ist es, wenn der Mensch emphatisch und achtsam mit dem Pferd umgeht. Tut er das, ist es eigentlich egal, welche konkreten Elemente es enthält. Wir Trainer – und im Grunde ist jeder Pferdebesitzer auch ein Trainer seines Pferdes – müssen uns immer darüber im Klaren sein, dass das Tier aus einer völlig anderen Lebenswelt kommt, als wir. Es hat evolutionär gesehen ganz andere Nöte, als sich Gedanken um ein adäquates Training zu machen.
Es ist also immer wieder eine neue Erfahrung für die Pferde, mit dem Menschen in engen Kontakt zu treten und sich von ihm ausbilden zu lassen. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, mitfühlend dem Pferd gegenüber zu sein. Seine Ängste, weil es zum Beispiel das erste Mal allein ohne seine Mutter ist, ernst zu nehmen. Sich mit ihm an den ausgelassenen Bewegungen zu freuen. Seine Sorgen wahrzunehmen, wenn es zum Beispiel eine Hilfe nicht verstehen kann.
Gleichzeitig ist es sehr wichtig, achtsam mit dem Vierbeiner umzugehen. Achtsam in der Wahl der Ausbildungsschritte, der Ausbildungsumgebung, der Hilfsmittel, der Kommunikation usw. Wir wünschen uns alle feine, sensibel reagierende Pferde – das können wir nur erreichen, wenn wir ebenso sensibel und fein im Umgang mit ihnen sind.
Einfach mit offenem Herzen ins Training und zum Pferd zu gehen und sich auf Beides voll und ganz einzulassen und darin aufzugehen ist für mich deswegen der Kern vom pferdefreundlichen Training. [the_ad_group id=”1027″]
Pferdeflüsterei.de: Du selbst bist ja auch über eigene Erfahrungen mit einem Pferd zu deiner Art des Trainings gekommen – magst du uns mal kurz erzählen, wie das bei dir und deiner Stute war und was das Training bewirkt hat bei euch?
Lisa Kittler: Ich habe meine Stute damals als Reitbeteiligung kennen gelernt. Leider war es alles nicht so optimal, wie ich es mir gewünscht hätte und sie war dem Menschen eher abgeneigt und vor allem nicht wirklich reitbar. Trotzdem war ich irgendwie fasziniert von ihr. Ein Glück! Denn heute weiß ich, was diese Faszination auslöste: Sie ist unter der harten Schale von damals ein so wunderschönes Pferd geworden! Genau MEIN Pferd – wir passen sprichwörtlich zusammen wie der Deckel auf den Topf ;-)Jedenfalls stand ich damals mit meiner ganzen Reiterfahrung da, konnte sie aber nicht reiten. Da ich aber irgendetwas mit ihr machen und ihr vor allem helfen wollte, fing ich an, mich kreuz und quer zu informieren. Dabei stieß ich auf das breite Spektrum der Bodenarbeit, vor allem dem Longenkurs von Babette Teschen und der akademischen Bodenarbeit nach Bent Branderup. Damit hat sich dann eine Tür geöffnet und ich konnte zu meiner Prinzessin wirklichen Kontakt aufnehmen, der von beiden Seiten erwünscht war. Jetzt konnte ich mir ihr kommunizieren, was eine bis heute andauernde Entwicklung auf allen Ebenen für uns Beide überhaupt erst ermöglichte.
Das Training hat bewirkt, dass wir eine Einheit geworden sind und immer noch mehr eine Einheit werden. Natürlich hat sie sich dadurch auch körperlich gänzlich verändert, aber gerade diese psychische Entwicklung war so wichtig und wunderbar für uns!HIER bei uns im Shop bekommst du auch ihr grandioses Buch “!Schöne Pferde durch Training” – das ich persönlich sehr liebe und dir unbedingt ans Herz legen kann
Pferdeflüsterei.de: Du beschreibst dein Training selbst als „ganzheitliches Training“ – was genau meinst du damit?
Lisa Kittler: Genau das, was ganzheitlich im Kern umreißt: Die Ausbildung der mir anvertrauten Pferde ist wirklich allumfassend ausgerichtet. Das heißt, alles rund um das jeweilige Pferd interessiert mich und ich möchte all diese Bereiche möglichst optimieren. Denn das Training steht ja nicht für sich allein da, sondern wird von so ziemlich allen Faktoren beeinflusst. Und nur, wenn diese Rahmenbedingungen stimmen, kann ich ein Pferd optimal ausbilden. Andernfalls ist das wie gegen Windmühlen anzurennen – man wird nie oder maximal nur kurzzeitige Erfolge haben.
Deswegen stelle ich mir und dem Besitzer zum Beispiel diese Fragen: Wie wird das Pferd gehalten? Wie ist die Herdenkonstellation? Wie wird es gefüttert und wie ist deswegen sein Futterzustand? Passen der Sattel und das Kopfstück? Werden die Zähne und die Hufe regelmäßig ordentlich bearbeitet? Hat das Pferd Einschränkungen im Bewegungsapparat und müsste deswegen physiotherapeutisch oder osteopathisch behandelt werden? Fühlt es sich wohl in seiner Trainingsumgebung und mit/bei seinem Besitzer?
Um diese Fragen auch adäquat beantworten oder bei Problemen Abhilfe schaffen zu können, arbeite ich mit einem sehr guten Team aus verschiedenen Fachleuten zusammen und bin immer wieder interessiert, mich weiter zu vernetzen, um alle Pferde optimal unterstützen zu können. Außerdem habe ich neben meiner Trainertätigkeit noch eine Ausbildung zur Pferdephysiotherapeutin gemacht und bilde mich selber regelmäßig in allen Bereichen weiter.
In all den Jahren haben wir so im Team nachhaltig etwas bei jedem Tier optimieren können, sodass sich das Pferd nicht nur im Training bei mir positiv entwickelt, sondern vor allem auch langfristig, wenn es wieder zu Hause ist. Ich sehe mich da als ein Ideengeber, ein Anreizsetzer. Ich kann ja leider in der Regel nicht lebenslang ein Pferd und deren Besitzer begleiten. Und so möchte ich sie selber optimal auf ihren gemeinsamen Weg vorbereiten.
Pferdeflüsterei.de: Was genau macht also das Training nach Lisa Kittler aus?
Lisa Kittler: KÖRPER GEIST PARTNERSCHAFT ist der Slogan meiner Hompepage und ich finde, das bringt es insgesamt gut auf den Punkt.
Ich denke eine tiefe Verbindung zum Pferd macht mein Training aus. Ich lasse mich komplett auf das jeweilige Pferd ein. Sie werden fast wie meine eigenen Pferde. Was natürlich sehr ungünstig ist, wenn sie dann wieder nach Hause müssen ;-) Aber dadurch können wir einen sehr intuitiven Kontakt aufbauen, was die Kommunikation untereinander sehr intensiv und direkt macht. Die Pferde können sich sehr schnell auf mich einlassen, vertrauen mir und schließen sich gerne an. Auf Grund dieser Verbindung können wir Ausbildungsprozess gemeinsam gestalten. Denn das Pferd lernt bei mir, dass es sich durchaus mit einbringend darf. Das wäre der Punkt der Partnerschaft und des Geistes.
Aber natürlich spielt vor allem im Hinblick auf die Wünsche nach einem Reitpferd der Körper eine große Rolle. Das Pferd ist von Natur aus nicht wirklich zum Reiten geeignet. Es würde gesundheitliche Schäden davon tragen, wenn wir es nicht dazu ausbilden würden, seinen Körper anatomisch wertvoll und gymnastisch korrekt in der Bewegung einzusetzen. Dieser Part ist deswegen auch einen großer Schwerpunkt in der Ausbildung.
Diese Punkte beziehen sich auf das Pferd, jedoch bilde ich in der Regel nicht nur das Tier aus, sondern vor allem auch den jeweiligen Besitzer. Das ist mir sehr wichtig, denn ich bin später nicht mehr und vor allem nicht immer dabei. Ich möchte also den Besitzer dazu befähigen, sein Pferd selber weiter auszubilden. Ein großer Vorteil dabei ist sicherlich mein abgeschlossenes Lehramtsstudium. Es hat mir mein Rüstzeug mitgegeben, die Unterrichtssituation nicht nur für das Pferd, sondern auch für den Menschen pädagogisch wertvoll aufzubereiten, sodass auf beiden Seiten ein gutes Verständnis und eine kontinuierliche Entwicklung garantiert sind.
Schöne Pferde und schönes Training
Pferdeflüsterei.de: „Schöne Pferde durch Training“ – heißt dein Buch: Was genau ist ein schönes Pferd für dich äußerlich?
Lisa Kittler: Da könnte ich jetzt regelrecht ins Schwärmen kommen. Ein schönes Pferd ist für mich tatsächlich genau der Black Beauty oder Blitz oder wie er sonst noch heißen mag aus den Romanen und Filmen. Es ist ein Pferd, was absolut harmonisch erscheint. In seinen Körperproportionen als auch seinen Bewegungen. Alles bei einem schönen Pferd ist im Fluss und federnd, weich und zart, aber auch kraftvoll und wild.
Es hat auf jeden Fall nichts mit einer konkreten Farbe oder bestimmten Einzelmerkmalen von Körperteilen zu tun. Es ist ein Gesamteindruck, den jeder intuitiv wahrnehmen kann. Denn schön heißt automatisch auch agil und gesund, also (über-)lebens- und fortpflanzungsfähig – DIE Kernziele der Natur und jedes Lebewesens.
Pferdeflüsterei.de: Wie können wir erkennen, ob unser eigenes Pferd „schön“ – also gut proportioniert ist und wo sich vielleicht Baustellen befinden? Also ganz praktisch – hast du da Tipps oder eine Anleitung?
Lisa Kittler: Also zum einen dürfen wir uns da sicherlich mehr auf unser ganz intuitives Sehen verlassen. In der Regel schätzen wir die Tiere ganz gut ein. Finde ich ein Pferd schön, hat das natürlich auch ein bisschen was mit meinen ganz eigenen Vorlieben zu tun. Aber grundlegend bewerte ich dabei unbewusst die Proportionen und damit die Harmonie des Lebewesens. Ganz praktisch kann man das gut mit einem ausgedruckten Bild von seinem Pferd machen. In dieses zeichnet man dann einige wichtige Linien zur Exterieurbeurteilung ein und kann dann tatsächlich relativ gut die Proportionen seines Pferdes beurteilen. In meinem Buch gebe ich zum Beispiel eine kleine Anleitung dazu.
Es ist ganz interessant zu sehen, dass das intuitive Einschätzen ganz häufig zum gleichen Ergebnis wie die Exterieurbeurteilung auf dem Blatt kommt.
Pferdeflüsterei.de: Und innerlich?
Lisa Kittler: Ist es vor allem ein wacher Geist beim Pferd. Ich wünsche mir blitzende und interessierte Augen, die mir zeigen, dass das Pferd da ist, bei mir ist, in der Situation ist. Ich möchte den Charakter des Pferdes wahrnehmen können, merken, dass es einen eigenständigen Geist hat. Ich finde es ganz toll, wenn sie anfangen, sich selber einzubringen. Vorschläge machen und ihre Vorlieben zeigen. Natürlich nicht wild drauf los, aber schon eigenständig. Andererseits ist auch ein in sich ruhendes, sich seiner Selbst bewussten Pferdes etwas ganz Schönes. Sie können uns so viel Ruhe und Sicherheit schenken. Bei ihnen kann man Kraft tanken.
Pferdeflüsterei.de: Viele Pferde sind ja „totbrav“ und machen einfach nur, was der Mensch will – auch weil sie in der Ausbildung oder in ihrem Vorleben gelernt haben, dass das die einzige Alternative ist – wie können wir es im Training schaffen deren „Schönheit“ und Lebendigkeit wieder zu wecken?
Lisa Kittler: Erst einmal, indem wir ihnen zeigen, dass sie sich auf uns verlassen können und dass sie bei uns sicher sind. Da ist für mich eine gemeinsame Kommunikation mit klaren Linien und konsequenten Verhaltensweisen im Training sowie im allgemeinen Umgang sehr wichtig. Können sich die Pferde dann auf uns einlassen, gebe ich ihnen den Raum, sich selber zu entfalten. Dazu gehört meist auch die körperliche Förderung. Denn häufig sind die totbraven Pferde doch innerlich gestresst und ertragen einfach viel mehr, als ihnen gut tut. Das zeigt sich meist in einem eher schlechten körperlichen Zustand, der die Tiere natürlich zusätzlich zu den geistigen Blockaden daran hemmt, lebendig und schön zu sein.
Werden die Pferde körperlich fitter, agiler, gesünder, erwachen sie meist in dieser Zeit nach und nach ebenfalls aus ihrer „totbraven“ Erstarrung. Sie ist ja am Ende nur ein Schutzmechanismus. Lernen sie im Training, dass sie sich bei mir nicht mehr schützen müssen, kommen ihre wahren Charaktere – anfangs zaghaft, später deutlicher – zum Vorschein. Sie zeigen dann häufig bestimmte Vorlieben. Diese versuche ich zu fördern und zu bestärken. Das klappt vor allem in der Freiarbeit immer wunderbar.
So ist es ein Wechselspiel zwischen körperlicher und geistiger Förderung, die das Pferd wieder zu seiner natürlichen Schönheit und Lebendigkeit zurückkommen lässt.HIER bei uns im Shop bekommst du auch ihr grandioses Buch “!Schöne Pferde durch Training” – das ich persönlich sehr liebe und dir unbedingt ans Herz legen kann
So funktioniert schönes Pferdetraining
Pferdeflüsterei.de: Was bedeutet überhaupt grundsätzlich schönes Training für dich?
Lisa Kittler: Es ist auf jeden Fall ganz still und leise. Das ist etwas, was mir immer ganz stark auffällt. Harmonieren Pferd und Mensch im Training miteinander, bedarf es keiner spektakulären Gertensignale oder Kommandos des Menschen. Vielmehr sind es ganz kleine körpersprachliche Signale – ein vermehrtes Aufrichten des Brustbeins, das Absenken der eigenen Hüfte, die längeren Schritte usw. – die eine Reaktion beim Pferd hervorrufen. Beide bewegen sich dann häufig synchron wie zwei Tänzer am seidenen Band. Dabei fließen die Energien von Beiden ganz frei und ungehemmt, es sieht ganz leicht und fein aus. Man schaut ihnen einfach gerne zu, ist gebannt vom Anblick.
Gleichzeitig ist es ganz stark – aber nur innerlich. Die Verbindung zwischen Pferd und Mensch ist untrennbar, egal, welche äußeren Einflüsse vorhanden sind. Beide sind wie in einer Blase, die man fast meint, von außen sehen zu können. Die Gefühle füreinander sind sehr stark und gehen ganz tief ins Herz, füllen es komplett aus. Auch als Außenstehender kann man sie förmlich mitfühlen. Und ganz pragmatisch ist ein schönes Training ein Training, was zum Ziel führt: Nämlich ein körperlich als auch geistig gut ausgebildetes Pferd an seiner Seite zu haben.
Pferdeflüsterei.de: Gibt es auch falsche „Schönheitsideale“ in der Pferdewelt und im Pferdetraining für dich? Also vermeintlich „schöne“ Bewegungen oder Pferde, die aber du als jemand mit einem Blick für die natürliche und stolze Schönheit der Pferde als Fehlentwicklung bezeichnen würdest?
Lisa Kittler: Leider gibt es davon wie in allen anderen Lebensbereichen genug. Es scheint so, als ob aus einem ursprünglich evolutionär vorteilhaften und schönen Merkmal die komplette Übertreibung dessen forciert wird. Ganz klar sind und waren raumgreifende Bewegungen ein schönes Merkmal, ob es aber in diesem unphysiologischen Strampeln enden muss? Sicherlich waren dazu lange Beine von Vorteil, ob es jetzt aber so lange Beine (in Kombination mit zu kurzen Rücken) werden müssen, sodass die Pferde permanent um ihre Balance fürchten? Kleine edle Köpfe sind ebenfalls ein Schönheitsmerkmal, aber ob sie nun so klein werden müssen, dass die Atmung oder die Zahnbildung eingeschränkt wird? Sicherlich nicht. Aber irgendwie hat der Mensch einen Hang dazu, gerne zu übertreibe und dabei die Natürlichkeit zu verlieren.
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Seele und Körper des Pferdes als Einheit
Pferdeflüsterei.de: Seele und Körper sind dir beides wichtig beim Pferdetraining – du betrachtest sie als Einheit, was ich als Gedanken unglaublich wichtig und schön finde. Was aber bedeutet das für dich genau in der Praxis?
Lisa Kittler: Ganz konkret heißt das für mich, ohne das eine, kann ich das andere nicht trainieren. In der Praxis kommen die Pferde von ihrem zu Hause zu mir zur Ausbildung. Sie sind auf Grund der Ortsveränderung immer erst einmal gestresst und aufgeregt. Würde ich jetzt einfach nur ihren Körper trainieren wollen, würde das sehr kurz greifen und zumeist auch nicht gelingen. Ich schaue also jedes Mal, dass sie bei mir ankommen, Ruhe finden und sich auf das körperliche Training überhaupt einlassen können.
Haben sie eine Verbindung aufgebaut, kann ich dann konkreter mit dem Körper arbeiten. Muskeln trainieren, die Kondition und Koordination verbessern. Es wird aber weiterhin immer wieder wichtig sein, zu schauen, wie ihre seelische Verfassung dabei ist. Ich möchte sie motivieren, ihnen Freude an den Bewegungen und am Lernen vermitteln, Verstehen fördern. Dazu muss ich pädagogisch durchdacht vorgehen. Sie müssen verstehen, was ich von ihnen warum möchte und wie sie es umsetzen können. Dann werden sie es auch korrekt machen und sich positiv entwickeln.
Pferdeflüsterei.de: Wie schaffst du eine gute Lernatmosphäre und was macht sie überhaupt für dich aus?
Lisa Kittler: Eine gute Lernatmosphäre besteht für mich immer dann, wenn das Pferd sich bei mir sicher fühlt und es sich auf mich einlassen kann. Dazu bedarf es bei jedem Pferd anderer Umstände. Ich versuche das in den ersten Einheiten herauszufinden und die Lernsituation in den folgenden Einheiten dahingehend zu optimieren. Häufig belastet es die Pferde, von ihrer Gruppe getrennt zu werden. So trainiere ich dann gerne erst einmal in Sichtweite der Anderen und zuerst in kurzen Reprisen. Andere Pferde sind gestresst von bestimmten Wettereinflüssen, wie zum Beispiel Wind oder Regen. Dann versuche ich die Tagesplanung anfangs so auszurichten, dass ich nicht gerade bei diesem Wetter dieses Pferd trainiere oder aber nur leichte Sachen abfrage und nichts Neues beginne.
Wieder andere haben Stress vor der Fütterungszeit und können sich nicht mehr konzentrieren, dann versuche ich deren Trainingszeiten auch dahingehend anzupassen.
Das sind einige äußere Umstände auf die ich versuche, Rücksicht zu nehmen beim Training.
Dann gibt es natürlich ebenso die Umstände, die speziell mich in der Kommunikation mit dem Pferd betreffen. Die Tiere nehmen unsere Stimmungen und körperlichen Zustände in Sekundenschnelle wahr und werden stark davon beeinflusst. Also versuche ich, nur das von einem Pferd zu verlangen, was ich selber auch leisten kann. Das heißt, nicht länger zu trainieren, als ich selber nicht zu 100% konzentriert sein kann. Mit einer guten Stimmung in die Einheit zu gehen. Emphatisch und offen zu sein oder auch zu bleiben, selbst wenn es sogenannte Fehlverhalten zeigt, wir „Rückschritte“ machen oder es unkonzentriert ist. Außerdem verlange ich nur so viel Energie oder Ruhe vom Pferd, wie ich an diesem Tag zu dieser Zeit auch selber aufbringen kann. Reite nur, wenn mein Rücken schmerzfrei und beweglich ist.
Durch all diese Überlegungen hoffe ich, eine gute Lernatmosphäre zu schaffen. Im Lernprozess sollten später einzelne Faktoren nicht mehr so bedeutend für das jeweilige Pferd sein, sodass eine gute Lernatmosphäre auch unter schwierigeren Umweltfaktoren entstehen kann. Schließlich besteht die Welt aus Umwelteinflüssen und ich kann und will sie nicht permanent alle „abschalten“.
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Pferdeflüsterei.de: Viele Übungen sind ja auch anstrengend und deswegen den Pferden erst einmal nicht logisch – wie gehst du dann damit um, dem Pferd zu erklären, dass es trotzdem wichtig und gut ist?
Lisa Kittler: Ich glaube, so ziemlich alles, was wir mit dem Pferd machen und von ihm verlangen ist absolut nicht logisch ;-) Im Grunde genommen macht sich das Tier ohne uns wahrscheinlich hauptsächlich Gedanken über seine Nahrung, die Sozialstruktur und die Fortpflanzung. Sicherlich wird es nicht über eine gute Biegung oder einen gut gesprungenen Oxer philosophieren. Von daher ist es für mich sehr wichtig, dem Pferd all diese unbekannten, neuen Sachverhalte sehr kleinschrittig sowie gut verständlich zu erklären und zu zeigen. Wie auf einer Leiter mit ganz vielen Stufen darf ich dabei nicht die eine Stufe vor der anderen nehmen. Das heißt, ich sollte jedes Mal überprüfen, ob mich mein Pferd verstanden hat oder ab ich neben Plan A vielleicht doch noch Plan B bis Z ausprobieren muss.
Jeder Lerninhalt braucht ebenfalls genügend Pausen, um verarbeitet zu werden. Das kennt jeder von meinem Unterricht oder den Kursen. Immer wieder wird nach einer guten Ausführung angehalten und dem Pferd (und Menschen natürlich auch) Zeit zum Reflektieren gegeben. Außerdem ist mir das Loben sehr wichtig. Das Pferd hat eben kein angeborenes Verständnis über unsere Vorstellungen. Es muss also letztlich in Versuch und Irrtum herausfinden, was wir wollen. Da wähle ich deutlich lieber den Weg, das Richtige zu belohnen, anstatt das Falsche zu bestrafen. Wie das Lob aussieht, ist mir dabei egal, es muss auf jeden Fall ernst gemeint sein und von innen heraus kommen. Da fühlen sich die Pferde dann schon positiv bestätigt, wenn man sich einfach aus ganzem Herzen freut. Das spüren sie sofort! Es kann natürlich ebenso gestreichelt werden oder ein Leckerlie bekommen. Das entscheidet jeder für sich selber.
Mit all diesem pädagogischem Wissen und einem sinnvollen Aufbau sowie der positiven Bestätigung lernen Pferde recht schnell auch anstrengende Trainingsinhalte und sind bereit, diese von sich aus motiviert zu zeigen.HIER bei uns im Shop bekommst du auch ihr grandioses Buch “!Schöne Pferde durch Training” – das ich persönlich sehr liebe und dir unbedingt ans Herz legen kann
Pferdeflüsterei.de: Wie gestaltest du die Kommunikation mit dem Pferd? Positive Verstärkung? Negative Verstärkung? Eine Mischung?
Lisa Kittler: Ich versuche weitestgehend positiv verstärkend zu arbeiten und nutze dazu auch gerne das Clickertraining. Aber im Grunde lässt sich eine negative Verstärkung gar nicht vermeiden bzw. ist diese gar nicht „negativ“, sondern alltäglich. Lege ich an einer Stelle eine Gerte oder den Schenkel an und reagiert die Pferde darauf in der richtigen Art und Weise, endet der Druck. Wichtig ist es, dass die negative Verstärkung nicht als Bestrafung gesehen oder mit dieser Intention angewendet wird. Strafen hemmt den Lernprozess. Emphatisch und wohlwollend zu loben fördert ihn hingegen nachweislich.
Ganzheitliches Training: Bodenarbeit und Praxis
Pferdeflüsterei.de: Kommen wir mal zur Praxis: Du machst sehr viel Bodenarbeit mit den Pferden – was gehört da zu deinem typischen Trainingsplan in etwa alles dazu – von Führtraining bis zur Doppellonge?
Lisa Kittler: Ja, ich mache sehr viel Bodenarbeit mit allen Pferden. Der Umfang und welche Art der Bodenarbeit ich dabei einsetze richtet sich natürlich wieder ganz individuell nach dem jeweiligen Pferd und auch nach dem jeweiligen Besitzer.
In der Regel fange ich mit den Pferden an, die grundlegende Kommunikation beim Führtraining abzufragen bzw. wenn nötig zu erarbeiten. Dazu gehört für mich alles das, was ich im alltäglichen Umgang mit dem Pferd brauche: Anhalten, Angehen, Rückwärtsrichten, die Vorhand und Hinterhand verschieben und das Führen von unterschiedliche Positionen. Dabei kann ich schauen, was dem jeweiligen Pferd schon bekannt ist und wie es auf meine Hilfengebung reagiert. Oder aber ich muss ihm noch einige Hilfen beibringen und ihm zeigen, wie ich mir seine Reaktion wünsche. Das stellt sicher, dass wir Beide dann im weiteren Verlauf eine gemeinsame Kommunikation haben.
Haben wir diese Basis gefunden, können wir die Kommunikation vertiefen, indem ich anfange, den Pferdekörper zu formen. Speziell geht es dabei darum, an der Geraderichtung zu arbeiten. Dabei lernt das Pferd, auf biegende Hilfen zu reagieren und seine Vor- und Hinterhand aufeinander einzurichten. Dies geschieht in der Regel am Kappzaum recht nah am Pferd. Ist das Verständnis geschult worden, baue ich dies bis zur Longenarbeit aus, sodass ich natürlich auch die freien, schwungvollen Bewegungen im Trab und Galopp schulen kann.
In der Regel nehme ich dann noch die Handarbeit dazu, sodass das Pferd das Konzept von zwei Zügeln, die nach hinten wirken kennen lernt. Damit kann ich es dann optimal auf das Reiten vorbereiten.
Bekomme ich noch mehr Zeit und gibt es noch bestimmte Themen beim jeweiligen Pferd, arbeite ich auch gerne mit der Doppellonge, um einen äußeren Rahmen etablieren und bis hin zur Versammlung schulen zu können. Gerne nehme ich auch die Arbeit am langen Zügel hinzu, aber bis dahin sind die meisten Pferde schon bei ihren Besitzern zurück. Denn für die „Königsdisziplin“ bedarf es schon einiger Vorbereitung. Und zumeist sitze ich dann eher im Sattel, um das Reiten vermehrt zu trainieren.
In der Regel möchte der Pferdebesitzer seinen Vierbeiner reiten und hat ihn deswegen zu mir gebracht. Gerne überprüfe ich in allen Phasen der Ausbildung in der Freiarbeit, ob unsere Kommunikation auch ohne alles klappt. Meist ist das sehr aufschlussreich für die weiteren Ausbildungsschritte. Da keine Hilfsmittel vorhanden sind, bemerke ich schnell, wo noch Verbesserungspotential ist. Wo ich noch genauer mit der Körpersprache, Energie, Ausrichtung und den inneren Bildern werden sollte. Denn meiner Meinung nach, sind das die wichtigsten Grundpfeiler im Umgang mit den Pferden. Und so schule ich mich selber vor allem bei jedem neuen Pferd, in jeder neuen Situation. Da ist unglaublich spannend!
Pferdeflüsterei.de: Welche Fehler begegnen dir als Trainerin immer wieder, die du so gerne aus der Pferdewelt verbannen würdest?
Lisa Kittler: Die Ungeduld! Bis auf ein paar Ausnahmen in der Sportreiterei sind die Pferdebesitzer doch im Freizeitsektor zu finden. Es ist ihr Hobby, es soll ein schöner Ausgleich zur stressigen Arbeitswelt usw. sein. Aber trotzdem stressen sich so viele ständig – und damit natürlich auch ihre Pferde. Sie sind so ungeduldig. Wollen morgen schon Schritt, Trab und Galopp reiten oder alleine stundenlang ausreiten oder das Pferd vor der Kutsche einspannen oder oder oder. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Aber wir haben es in der Ausbildung von Pferden immer mit zwei Individuen zu tun. Damit ist es so ziemlich der komplizierteste Sport (wenn man es denn so bezeichnen möchte), den es gibt. Beide brauchen für die jeweiligen Themen ihre individuelle Zeit. Niemand kann morgen schon Reiten gelernt haben. Das ist doch aber auch nicht schlimm oder? Es geht doch um die schöne Zeit mit dem Pferd, um das gemeinsame Wohlfühlen, das Zusammensein, die Verbundenheit.
Ich selber bin ein ehrgeiziger Mensch, also habe ich gar nichts gegen Ziele und Wünsche, aber sie müssen realistisch sein. Und alles braucht nun mal seine Zeit, wenn es nachhaltig und achtsam erlernt/gelehrt werden soll. Diese Zeit sollten die Pferdemenschen lernen, sich entspannt zu nehmen und nicht immer so ungeduldig zu sein. Es zahlt sich alles 100-fach aus und ist es auf jeden Fall wert. Das kann ich aus mittlerweile so vielen Erfahrungen felsenfest behaupten.
Die Inkosequenz! Ja, konsequent sein, ist schon ein bisschen anstrengend und nicht immer ganz leicht. Aber: Die Pferde brauchen konsequente Menschen. Nichts ist schlimmer für ein Pferd, als ein inkongruenter Mensch. Heute dieses, morgen jenes. Das kann sie schier zur Verzweiflung bringen und endet nicht selten in Unarten wie Betteln, Beißen oder Losreißen. Die Pferde zeigen uns damit, dass sie einfach nicht weiter wissen und sich selber versuchen zu helfen, da der Mensch für sie nicht verlässlich ist.
Das Pferd als Herdentier lebt in relativ klaren Strukturen. Seine Reaktionen auf bestimmte Situationen im gemeinsamen Umgang sind immer relativ ähnlich. Das sorgt für Sicherheit in dem Gefüge. Eines der wichtigsten Bedürfnisse eines Fluchttieres. Der Mensch bildet mit dem Pferd ebenfalls ein soziales Gefüge. Doch im Gegensatz zur Kommunikation mit einem anderen Menschen, versteht das Pferd nicht unsere Worte im eigentlichen Sinne, kann nicht erraten, welche Gedanken vielleicht hinter den Handlungen noch stecken könnten, als die offensichtlich zu Erkennenden.
Soll das Pferd sich also in unserer Gegenwart wohl und sicher fühlen, braucht es einen klaren und konsequenten Umgang. Das hat nichts mit einem dogmatischen Chefgehabe zu tun. Keine Angst, das kann ich auch nicht befürworten. Es muss auch nicht jeder einzelne Sachverhalt immer gleich sein und es gibt sicherlich auch Deutungsspielräume, die man je nach Pferd und Situation einräumen kann. Wichtig ist, dass diese „Richtlinien“ jeder für sich selber festlegt. Jeder Pferdebesitzer muss sich selber wohl bei der Umsetzung fühlen, muss seine Maximen vertreten können. Ich als Trainer kann dabei wieder mit meinen Ideen helfen, aber möchte nichts vorschreiben.
Pferdeflüsterei.de: Vielen Dank für das Interview
2 Kommentare
Liebe Petra,
wieder ein sehr schönes Interview.
Ich kannte die Interviewpartnerin bisher nicht, aber nun werde ich mir ihr Buch doch mal anschauen.
Was mir auffällt, ist, dass immer davon ausgegangen wird, dass wir die Gymnastizierung unserer Pferde zum Reiten brauchen, aber die Pferde kein Interesse von sich aus daran haben. Da muss ich sagen, das erlebe ich anders. Meine zwei Minis sind natürlich keine Reitpferde. Sie werden auch nicht gefahren und somit könnten wir auf Gymnastizierung verzichten. Genau das tu ich aber nicht, denn liebevoll und mit viel Freiwilligkeit beigebracht, haben meine Pferde ein eigenes Interesse daran. Sie merken, dass sich ihr Körpergefühl verbessert, dass sie wendiger und geschickter werden und das ist für sie als Fluchttiere natürlich positiv. Erst heute morgen hat der Ponymann beim Spazierengehen angefragt, ob wir nicht noch etwas Schulterherein üben könnten. Natürlich habe ich das gemacht. Er lernt gerade, dass es für ihn von Vorteil ist, wenn er das Gewicht von der inneren Schulter bekommt. Er kann so besser Kurven laufen. Gerade der Ponymann tut nur Dinge, die sich aus seiner Sicht lohnen. Sieht er keinen Sinn in einer Übung, macht er sie auch nicht. Trotzdem wollte er vor ein paar Tagen von sich aus das langsame und bewusste Überschreiten eines Baumstammes üben. Denn das gibt ihm mehr Gefühl für seine Hinterhand. Selbst wenn es mal anstrengend ist, bleibt er dabei, weil er einfach merkt, dass sich seine Lebensqualität erhöht, wenn er beweglicher und kräftiger ist.
Liebe Grüße
Miriam
Liebe Miriam, das ist ein guter Gedanke von dir. Ich denke auch, dass die Pferde stolz sind, wenn sie etwas gut machen und wir ihnen das signalisieren (was definitiv ein Motivator sein kann) und natürlich merken sie auch, wenn sie wendiger und besser balanciert sind. Da hast du so Recht. Das gerät auch bei mir gerne mal in Vergessenheit, gerade weil mein Pferd sich besonders schwer tut mit gymnastizierenden Übungen. Danke für den kleinen reminder und ganz liebe Grüße an den Ponymann und dich, Petra