Stell dir vor du hast ein Auto. Der Motor ist hinten. Wie bei einem alten VW Käfer. Dieses Auto stottert ein bisschen beim Fahren, der Motor läuft nicht richtig und die Lenkung ist auch schwierig, weil die Vorderreifen schwergängig sind. Und dann stell dir vor, wie das Auto nach und nach immer runder läuft. Der Motor schnurrt sanft und gleichmäßig, er schickt Energie durch den ganzen Wagen, die Lenkung ist leicht und sanft und kann die Energie von hinten ganz einfach in Bewegung umsetzen. Warum ich dir das erzähle?
Weil dein Pferd ein bisschen wie das Auto ist. Der Motor deines Pferdes ist hinten.
Genauer gesagt: Der Motor deines Pferdes ist die Hinterhand. Die Lenkung passiert im Grunde in der Vorhand und in den Schultern.
Liegt mehr Energie auf der Vorhand:
- Wird die Lenkung schwergängiger
- Wird die sensiblere Vorhand zu stark belastet
- Kommst du nicht richtig vorwärts
- Wird dein Pferd eher stolpern
- Wird der Rücken zu stark belastet
Wie das alles zusammenhängt erkläre ich dir gleich.
Mehr zur Gesamtanatomie der Pferde findest du übrigens in dem Basis-Artikel “Anatomie vom Pferd” HIER.
Erst einmal kurz noch ein paar Fakten zur Hinterhand.
Was genau ist die Hinterhand
Die Hinterhand deines Pferdes ist im Grunde das ganze und komplette hintere Drittel. Also das Becken, die Kruppe, die Hinterbeine und der Pferdeschweif. Die Hinterhand ist der Motor deines Pferdes – um nochmal in Autosprache zu sprechen. Dein Pferd schiebt seinen Körper und seine Energie also mit der Hinterhand nach vorne. Die Vorhand ist eher das Steuer. Die Vorhand sollte entlastet werden dadurch, dass die Hinterhand eben die Last aufnimmt, die die Vorhand als Steuer nicht so gut verträgt. Der Rücken sollte frei schwingen können und die Schulter Bewegungsfreiheit haben. Deswegen ist das Thema Sattel auch so schwierig, wenn der Sattel mit Sattelbaum nicht sehr gut passt oder ein Statel mit flexiblem Baum oder ohne Baum, wie bei den Fellsätteln, optiale Bewegungsfreiheit liefert, kann das langfristig Schmerzen und Verspannungen verursachen.
So erkennst du ob dein Pferd aktiv ist mit der Hinterhand
Was genau bedeutet das eigentlich? Jeder spricht von der aktiven Hinterhand. Vermutlich ist nahezu jedem Reiter klar, dass sie wichtig ist. Aber woran erkennst du eigentlich ob dein Pferd seine Hinterhand aktiviert? Es muss unter seinen Schwerpunkt treten im Idealfall. Das wird gerne als „untertreten“ bezeichnet. Wenn also der Hinterhuf in die Spur des Vorderhufes fußt, dann ist das schon einmal ein gutes Zeichen. Wobei Pferde unterschiedlich stark sind in ihrer Biegsamkeit. Das alleine ist also noch nicht das perfekte Zeichen. Du musst dir das gesamte Pferd in seiner Bewegung ansehen.
- Sind die Bewegungen der Hinterhand eher stockend
- Sind die Bewegungen sehr kurz
- Wirkt das Pferd verspannt
Dann aktiviert es seine Hinterhand nicht genug. Das sieht dann auch gerne mal so aus, als ob es die Hinterbeine nach hinten oder seitlich „rauswirft“. Der Rücken wölbt sich nicht auf und es ist nicht durchlässig.
Wenn also dein Pferd locker und entspannt läuft, schön mit dem Hinterhuf in den Fußabdruck des Vorderhufes tritt und das Laufen energetisch und locker aussieht, dann hast du gute Chancen, dass es mit aktiver Hinterhand läuft.
Die Kruppe senkt sich schön und der lange Rückenmuskel kommt in Bewegung. Dazu gehört auch die sogenannte Hankenbeugung.
Dazu findest du HIER im Artikel über Hankenbeugung bei „Wege zum Pferd.de“ noch mehr Informationen.
Der Pferderücken und die Hinterhand
Der Rücken ist der Rücken ist der Rücken ist der Rücken. Was ich damit sagen will: Der Rücken eines Pferdes ist ein wichtiger Körperteil – immerhin soll es dich darauf tragen.
Warum ich den Rücken jetzt erwähne? Weil er sich nur schön aufwölben kann, wenn unter anderem die Hinterhand aktiv ist. Wenn dein Pferd mit aktiver Hinterhand läuft, dann greift es beim Laufen richtig schön unter den Schwerpunkt mit seinen Hinterbeinen und das wiederum aktiviert die Kruppenmuskeln, die dann am langen Rückenmuskeln ziehen. Das sorgt unter anderem dafür, dass sich der Rücken aufwölbt. Daneben spielen Schultern und Hals auch noch eine Rolle. Aber heute soll es ja um die Hinterhand gehen.
Die Muskeln und Knochen im Pferd arbeiten immer miteinander. Spannt sich ein Muskel an, entspannt sich sein Gegenmuskel. Bedeutet für die Hinterhand: Bewegt sie sich, tut sich auch was im Rücken und umgekehrt.
Die verschiedenen Rückentypen und die Hinterhand
Wenn dein Pferd einen „normalen Rücken“ hat – heißt das, dass er gerade ist. Er ist mittellang und der tiefste Punkt des Pferderückens geht sanft und stimmig in den Widerrist über. Damit hat der Sattel eine schöne Lage im Schwerpunkt des Pferdes. Durch das alles kann die aktive Hinterhand schön untertreten und dein Pferd kann dich gut tragen. Es ist im Idealfall durchlässig und kann losgelassen unter dir gehen.
HIER bei Hippovital findest du verschiedene Gedanken zur Losgelassenheit des Pferdes
Wenn dein Pferd einen sogenannten „Karpfenrücken“ hat, ist die Wirbelsäule am Ende des Rückens Richtung Kruppe aufgewölbt. Die Wirbelsäule und der Rücken können dadurch nicht so gut schwingen. Das wiederum macht es weder für die Hinterhand noch für dein Pferd leichter, dich gesund zu tragen.
Wenn dein Pferd einen sogenannten „Karpfenrücken“ hat, ist die Wirbelsäule am Ende des Rückens Richtung Kruppe aufgewölbt. Die Wirbelsäule und der Rücken können dadurch nicht so gut schwingen. Das wiederum macht es weder für die Hinterhand noch für dein Pferd leichter, dich gesund zu tragen.
Hat dein Pferd einen „kurzen Rücken“, bedeutet das auch, dass es einen eher knackig-festen Rücken hat. Du ahnst es schon: Es wird es schwerer haben durchlässig zu sein und schwungvoll zu laufen. Zwar kann die Hinterhand meist ganz gut untersetzen, aber der Rücken ist doch oft weniger elastisch. Ich habe zum Beispiel so ein Model. Meine Stute hat einen kurzen Rücken, der sehr fest ist, dazu eine ausgeprägte und sehr kräftige knackige Hinterhand. Dadurch tut sie sich schwer mit dem Untertreten der Hinterhand und dem Schwung im Rücken. Sie neigt – wie die meisten Pferde mit einem kurzen festen Rücken – zu Verspannungen.
Ein weiteres Rückenmodel ist der sogenannte „Senkrücken“. Der Name sagt es schon: Er sinkt leider ziemlich nach unten durch. Dadurch kann er natürlich wenig bis gar nichts tragen. Das Pferd wird es sehr schwer haben in Stellung und Biegung zu laufen und den Rücken aufzuwölben.
Kurz zusammen gefasst
Wenn Kopf mit Hals, mit Rücken, dem Kreuzbein und der Hinterhand über Nackenband und Nackenplatte richtig arbeiten und verbunden sind, kann das Pferd schwungvoll laufen, den Rückenaufwölben und den Reiter gesund tragen. Dafür braucht es aber auch eine aktive untertretende Hinterhand. Sie ist wesentlich! Wenn das alles nicht passiert, muss das Pferd den Reiter im Grunde mit Rückenmuskel und / oder Wirbelsäule tragen. Das kann langfristig zu Schädigungen und Schmerzen führen.
Dazu kannst du den Rücken lockern und an der Hinterhand arbeiten, in dem du Stangentraining und Cavaletti-Arbeit in allen drei Gangarten machst – HIER gibt es ein Buch zur Stangenarbeit mit verschiedenen praktischen Übungen
Die Pferdelenden und die Kruppe
Die Lenden bezeichnen den Bereich deines Pferdes zwischen der Kruppe und der Sattellage. Sie setzen sich zusammen aus den Lendenmuskeln und der Lendenwirbelsäule. Wenn die Lendenmuskeln deines Pferdes kräftig und kurz sind, dann ist das super. Dann liefern sie nämlich schön viel Antriebskraft für die Hinterhand deines Pferdes. Je kräftiger und kürzer die bemuskelten Lenden sind, desto besser funktioniert die Kraftübertragung aus der aktiven Hinterhand.
Gerade habe ich sie schon erwähnt, aber ich will ihr noch einen Extraabsatz gönnen: Die Kruppe deines Pferdes. Denn sie liefert die Schubkraft und die Tragkraft für die Hinterhand deines Pferdes. Die Kruppe ist im Grunde der Bereich oben hinten am Pferderücken. Sie sollte nicht zu kurz und nicht zu flach sein. Im Idealfall ist sie schön rund und verläuft leicht schräg Richtung Schweifansatz.
Man könnte sagen, dass es eine Art Kruppengleichung gibt: Je flacher und gerader sie ist, desto mehr Schubkraft – je abschüssiger, desto mehr Tragkraft.
Mal ganz vereinfacht gesagt. Zuviel oder zu wenig ist dann natürlich auch wieder nicht gut. Im Idealfall hast du das Mittel. Also schön schräg und kräftig bemuskelt.
Mythos „Vorne halten – hinten treiben“
Viele Reitlehrer predigen immer wieder, dass du vorne halten musst und hinten treiben, damit die Hinterhand aktiver untertritt. Das ist fatal, denn du erreichst damit im Grunde das Gegenteil. Du schnürst dein Pferd regelrecht zusammen. Es kommt zu Verspannungen und der Rücken hat wenig bis keine Chance locker zu schwingen.
Wenn du aber die Hinterhand in der Bodenarbeit oder beim Training durch korrekte Gymnastizierung und Bodenarbeit stärkst, dann bekommst du nach und nach mehr Hankenbeugung und dadurch wiederum eine Entlastung der Vorhand, der Schultern und damit wiederum eine Aufrichtung von Widerrist und Co. Deswegen heißt es immer wieder so schön, dass du dein Pferd von „hinten nach vorne“ reiten sollst.
Praktische Übungen für die Hinterhand
Du kannst die Hinterhand am Boden und im Sattel stärken:
- Indem du das Pferd im Stand bittest sein Gewicht auf die Hinterhand zu verlagern
- Indem du Übergänge zwischen den Gangarten übst
- Indem du dein Pferd bittest einen Schritt rückwärts zu gehen, bevor du dann im Schritt oder Trab vorwärts gehst
- Indem du in den Gangarten Tempowechsel erbittest
- Indem du in Biegung und Stellung am Boden arbeitest
Übergänge – Beispiel: 1 Schritt rückwärts – Antraben – Schritt – Trab – Schritt – Trab – stehen bleiben – wieder antraben – stehen bleiben – Schritt rückwärts – Schritt – Galopp – Trab – Galopp – Trab – Schritt – Anhalten – Schritt – Anhalten – Rückwärts – Trab usw.
Ganz wichtig: Egal was du an versammelnder Arbeit mit deinem Pferd machst, alles hat eine Wirkung auf die Muskeln deines Pferdes. Es muss also richtig heftig arbeiten, wenn du in Richtung Versammlung trainierst. Deswegen ist es so wichtig, dass dein Pferd dazwischen immer wieder entspannt und in Dehnungshaltung laufen darf – damit es nicht zu einer einseitigen Anspannung der Muskeln kommt. Muskeln lernen nur dann, wenn sie einen Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung haben. Wenn nicht, verpufft einerseits ein Teil des Trainings und andererseits kann es sogar zu Verspannungen führen.
Lesetipp – bei Herzenspferd kannst du HIER nachlesen „Wie Du am Aussehen Deines Pferdes seine “Baustellen” erkennen kannst“.
INFO: Ich bin keine Pferdephysio und habe versucht dir alle wichtigen Fakten zur Hinterhand zusammenzufassen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder die absolute Sicherheit alles absolut 100% perfekt gemacht zu haben. Wenn du noch Ergänzungen hast oder dir etwas aufgefallen ist, dann schreibe mir gerne einen Kommentar.
“Pferdeflüstern bedeutet, dass wir lernen das Flüstern der Pferde zu hören und zu verstehen.”
Die Pferdeflüsterei ist ein Wissensblog und Herzensprojekt – denn wir wünschen uns, dass alle Pferde und ihre Menschen glücklich miteinander sind. Wenn wir lernen die Pferde zu verstehen, fein und fair zu trainieren und der beste Pferdemensch zu werden, der wir sein können – wird es auch deinem Pferd gut gehen und es wird immer sein Bestes für dich geben. Versprochen!
Wir unterstützen dich mit unseren Artikeln, Interviews und Kursen – Du bekommst Facts zu pferdegerechter Haltung und Fütterung, feinem Training und Pferdeverhalten.
Petra und Carey
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2 Kommentare
Vielen Dank für diesen informativen Beitrag! Der Artikel beschreibt schön, wie wichtig es ist, dass man die Anatomie und die Physis des Pferdes kennt, um sinnvoll und effektiv mit seinem Pferd trainieren zu können.
Ich werde den Tipp mit den Übergängen besonders beherzigen. Beim Lesen ist mir aufgefallen, dass wir das noch viel zu wenig machen und ich bin immer froh, wenn ich neue Anregungen bekomme, um das Training so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten.
Danke!
Liebe Grüße
Alex
Liebe Alex, sehr gerne :-) Dann ganz viel Spaß beim ausprobieren. Alles Liebe, Petra