Pferdetraining ist ein Dialog und wir sollten unseren Pferden zuhören. Darin sind wir uns einig, nehme ich an. Aber – wie immer kommt das große ABER – bei den meisten Pferdemenschen findet dieser Dialog nur in der Theorie statt. Gehen wir in die Praxis, finden wir oft einen Monolog, werden kleine Zeichen übersehen und dann die großen Antworten der Pferde empört abgewiesen.
Wann macht Dialog Sinn und wann nicht?
Viel zu oft wollen wir auch nur den Dialog, wenn das Pferd JA zu unseren Ideen sagt. Aber was passiert, wenn das Pferd NEIN sagt? Dann wechseln wir in den Monolog, wollen uns durchsetzen, haben vielleicht Angst, dass das Pferd sich gegen uns wenden oder das widersetzliche Verhalten immer schlimmer werden könnte, wenn wir nachgeben. Wir hören dann vom Reitlehrer, dass das Pferd faul ist oder verwenden Begriffe wie „triebig“, „bockig“, „testen“ oder „Energiesparer“.
Manchmal mag das auch zutreffen – auch Pferde sind nicht perfekt und haben Launen, Tagesform und Stimmungslagen oder körperliche Wehwehchen. Das ist ihr gutes Recht, denn sie sind Lebewesen wie wir und haben auch manchmal Pläne, Ideen, Vorstellungen und Themen, die sie mit sich herumtragen.
Was aber sollst du jetzt mit diesen Aussagen und Ideen anfangen? …fragst du dich vielleicht beim Lesen dieser Zeilen. Ich will das Ganze jetzt für dich zu einem Puzzle zusammenfügen und dir anschließend zeigen, wie du deinem Pferd besser zuhören und in einen schönen Dialog kommen kannst.
Die ersten Schritte zu einem echten Dialog
Ich würde dich bitten einmal in dich hinein zu hören und die letzten Wochen mit deinem Pferd Revue passieren zu lassen. Denn ich vermute mal, dass du von dir unbedingt glaubst immer in einem Dialog zu sein und dein Pferd als Partner zu betrachten.
Der erste Schritt ist die Ehrlichkeit
Wenn du aber ehrlich – glasklar 100% ehrlich – mit dir selbst bist und dich und dein Pferd wie in einem Kinofilm betrachtest (all die kleinen Alltagssituationen und die großen und kleinen Trainingsmomente), dann wirst du ziemlich sicher auch Situationen finden, in denen dein Pferd einen Dialog gestartet hat und du in den Monolog gefallen bist.
Finde deinen Weg
Pferde und Menschen sind individuell. Also musst auch du deinen individuellen Weg zusammen mit deinem Pferd finden.
Finde deinen eigenen Weg und vergiss die besserwissenden Stimmen der Trainer, Reitlehrer und Besserwisser an der Bande, die dir sagen wollen, dass du dich durchsetzen musst,dass dein Pferd dich testet oder dass du zu nett zu deinem Pferd bist.
Lerne auf die einzigen beiden Persönlichkeiten zu hören, die wirklich zählen: Du und dein Pferd.
Bist du bereit für einen ehrlichen Dialog und eine tiefe Verbindung mit deinem Pferd?
Typische Beispiele für einen Monolog
Beispiel 1
Das Pferd wackelt beim Hufe geben oder gibt den Huf nicht gleich. Superoft sehe ich Pferdemenschen, die dann grober zugreifen, den Huf festhalten oder dem Pferd einen Klaps geben. Das ist kein Dialog. Denn das Pferd sagt etwas zum Menschen: „Ich kann gerade nicht, gib mir eine Pause.“ Die Antwort ist dann aber: „Doch! Sei still und mach einfach!“
Beispiel 2
Das Pferd will nicht zur Aufstiegshilfe oder will nicht gesattelt werden. Superoft sehe ich Menschen, die am Strick rucken, das Pferd festhalten, mit der Gerte weitertreiben nach dem Aufsteigen oder es immer wieder zurückziehen, wenn es von der Aufstiegshilfe wegmöchte. Das ist kein Dialog! Das Pferd sagt vielleicht zum Menschen: „Der Sattel zwickt.“ oder „Mein Rücken tut weh – bitte noch nicht aufsteigen. Wärme mich bitte erst einmal auf.“ Die Antwort des Menschen ist dann: „Sei doch still. Das interessiert mich nicht. Mach einfach!“
Beispiel 3
Das Pferd kommt beim Longieren immer nach innen oder rennt an der Longe in den schnelleren Gangarten davon oder will gar nicht erst antraben. Der Mensch treibt es mit der Gerte raus oder lässt die Longierpeitsche knallen. Das ist kein Dialog. Das Pferd sagt zum Beispiel: „Ich kann die Balance nicht halten auf dem Kreis und bekomme Angst, weil ich aus der Balance kommen.“ Oder „Ich renne nur so schnell, weil ich dann weniger das Gefühl habe umzufallen.“ Oder „Ich komme doch nur nach innen, weil du mit deiner Körpersprache gesagt hast, dass ich das soll.“ Oder „Ich komme nach innen, weil ich irgendwie immer auf die Schulter falle und das ist doof für mich.“ Die Antwort des Menschen ist dann: „Mir doch egal, wie du dich fühlst oder ob ich den Fehler gemacht habe. Hauptsache du machst endlich, was ich will! Sei einfach still.“
Der zweite Schritt ist der Glaube an das Pferd
Was du an den Beispielen vielleicht schon erkennen kannst ist, dass ich den Pferden IMMER glaube. Ich denke nicht, dass sie uns verarschen oder testen, sondern, dass sie mit uns reden, wenn sie Nein zu etwas sagen. Genau wie sie auch mit uns reden, wenn sie JA zu etwas sagen.
Pferdetraining ist ein Dialog, wenn wir den Pferden zuhören und an ihre Ehrlichkeit glauben. Denn dann dürfen wir sie nicht mit Befehlen überbügeln, sondern müssen davon ausgehen, dass es ein Missverständnis oder ein körperliches oder seelisches Problem gibt, wenn sie NEIN sagen und auf Lösungssuche gehen.
Willst du dich dieser These anschließen? Dann glaube ab jetzt an die Ehrlichkeit deines Pferdes und betrachte jede Kommunikation als Teil eines Dialoges, auf den du verantwortungsbewusst und fair reagieren kannst.
Der dritte Schritt ist das Zuhören
Jetzt kommen wir zum Zuhören. Denn wir müssen lernen den Pferden zuzuhören und ihre Kommunikation zu SEHEN, zu VERSTEHEN und zu INTERPRETIEREN, so dass wir dann wirklich vom Monolog zum Dialog kommen können.
Welche Mittel nutzen Pferde um mit uns zu kommunizieren?
So lernst du die Persönlichkeit deines Pferdes kennen
Außerdem ist dein Pferd eine Persönlichkeit, die du kennenlernen kannst. Wenn dir das gelungen ist, kannst du die kleinen und großen Zeichen deines Pferdes viel besser interpretieren und verstehen.
Dafür lohnt es sich, das Pferd in der Herde zu beobachten. Wenn du also Zeit hast: Setze dich gerne immer mal eine halbe Stunde an den Koppelrand und beobachte dein Pferd:
- Wie redet es mit den anderen?
- Welche Position und Aufgaben hat es vielleicht in der Herde?
- Wie sanft oder aggressiv kommuniziert es?
- Was sind seine Kommunikationszeichen in der Herde?
- Wie startet es eine Kommunikation und wie eskaliert es, wenn es nicht gehört wird?
- Wie reagiert es auf die Kommunikation der anderen?
Wenn du ein Bild von deinem Pferd bekommen hast, kannst du anfangen das Bild der Herdenkommunikation mit dem Bild mit deiner Kommunikation zu vergleichen. Im Idealfall ist dein Pferd mit dir zusammen nicht wesentlich anders als mit der Herde. Vielleicht eine etwas respektvollere Version, denn du willst ja nicht mit Zähnen und Hufen reden, sondern bist immer noch ein Mensch und dein Pferd weiß das im Idealfall.
Aber wenn es nicht wesentlich anders ist bedeutet das, dass es bei dir ganz es selbst sein kann.
Aktiv Zuhören im Training
Jetzt kennst du langsam die Zeichen und die Kommunikation deines Pferdes. Ab jetzt hörst du ihm auch im Training zu und betrachtest seine Gesichtsmimik, seine Körperspannung und betrachtest seine Aktionen und Reaktionen als Antworten auf deine Trainingsfragen oder deine Bitten im Alltag.
Wenn dein Pferd JA zu etwas sagt, freust du dich und lobst jedes kleine „ja“ und auch jedes kleine „eventuell“, um deinem Pferd zu zeigen, dass du seine „Ja“-Antworten wahrnimmst und schätzt. Das motiviert dein Pferd.
Wenn dein Pferd NEIN zu etwas sagt, wirst du nicht wütend oder setzt dich auf Teufel komm raus durch mit allem, was du zur Verfügung hast, sondern fragst nach und überlegst dir Alternativen für deine gestellte Frage.
Was du tun kannst, wenn dein Pferd “Nein” sagt
- Du stellst die Frage nochmal anders
- Du stellst sie kleinschrittiger
- Du variierst in deiner Körpersprache
- Du machst erst einmal etwas anderes und kommst später darauf zurück
- Du atmest einmal durch und fragst dich, warum dein Pferd das Gewünschte gerade nicht leisten kann
Sollte es etwas körperliches sein, checkst du vielleicht auch mit dem Ostheopathen, Tierarzt oder Pferdephysio ab, ob ein Problem vorliegen könnte – aber Achtung: Viele Experten sind auf „Funktionsfähigkeit“ ausgerichtet und geben auch gerne der „Faulheit“ des Pferdes die Schuld – deswegen höre auf deinen Bauch und bohre nach, wenn dir die Antwort zu lapidar vorkommt
Ich weiß nicht, wie oft ich schon gehört habe, dass ich mein Pferd einfach reiten solle, wenn sie „Nein“ gesagt hat. Aber: Jedesmal habe ich nachgebohrt, einen weiteren Experten gefragt oder selbst geforscht und jedesmal habe ich eine Verletzung, ein Schmerzthema oder ein anderes echtes Problem gefunden. Mein Pferd hatte also IMMER einen Grund für das Nein und ich hätte sie jedesmal durch den Schmerz trainiert, wenn ich auf die erste Tierarztmeinung gehört hätte.
Was den Dialog noch erschweren kann
Manchmal kann es auch eine unpassende Ausrüstung sein. Sei es, weil der Sattel nicht sitzt oder sei es, weil ihr noch nicht den richtigen Ausrüstungsgegenstand gefunden habt. Manche Pferde werden beispielsweise lieber gebisslos geritten, andere lieber mit Gebiss. Manche Pferde finden den einen Kappzaum bequem bei anderen drückt genau dieses Modell. Es ist ein bisschen wie mit uns Menschen und den Schuhen. Kein Schuh passt ALLEN Menschen.
Würden wir einem anderen Menschen bei einem drückenden Schuh sagen: Jetzt zier dich nicht so und lauf einfach?
Nein! Wir würden ihm dazu raten einen anderen Schuh anzuprobieren – solange bis ein passender dabei ist – und diesen dann zu kaufen. Ich hatte beispielsweise 3 Kappzäume im Test, bis der 4. endlich gepasst hat und mein Pferd sichtlich zufriedener damit lief als mit den anderen.
Wie du Ausrüstung testen kannst?
- Nimm deinen Zaum und leih dir zum Beispiel andere Zäume von deinen Miteinstellern aus.
- Dann machst du die immergleiche Lektion (die ihr beide ganz gut beherrscht) mit den verschiedenen Zäumen und beobachtest dabei die Kommunikation deines Pferdes.
- Der Zaum mit dem es am zufriedensten läuft, ist vermutlich der Beste für euch. Fertig. So einfach ist das.
Vielleicht hat dein Pferd auch schlechte Erfahrungen mit einem Ausrüstungsgegenstand in der Vergangenheit gemacht. Ich kannte eine Stute, die immer wieder Anzeichen von Sattelzwang gezeigt hat bei ihrem perfekt angepassten Sattel. Immer wieder. Egal wie oft ihre Besitzerin den Sattler und die Osteopathin kommen liess. Irgendwann fiel der Osteopathin auf, dass der neue und perfekt sitzende Sattel braun war – genau wie der unpassende Sattel des Vorbesitzers, der das Pferd jahrelang mit Satteldruck mit einem braunen Sattel geritten hatte.
Die Besitzern lieh sich einen schwarzen Sattel und das Pferd war wie ausgewechselt. Verrückt, oder? Aber vermutlich hatte die Stute einfach die schlechten Erinnerungen mit einem braunen Sattel verbunden.
Zum Schluss habe ich hier noch einen kleinen Lesetipp für dich. Du findest HIER eine kleine Übersicht über Beschwichtigungszeichen deines Pferdes und tolle Erklärungen, wann und warum Pferde diese einsetzen.
“Pferdeflüstern bedeutet, dass wir lernen das Flüstern der Pferde zu hören und zu verstehen.”
Die Pferdeflüsterei ist ein Wissensblog und Herzensprojekt – denn wir wünschen uns, dass alle Pferde und ihre Menschen glücklich miteinander sind. Wenn wir lernen die Pferde zu verstehen, fein und fair zu trainieren und der beste Pferdemensch zu werden, der wir sein können – wird es auch deinem Pferd gut gehen und es wird immer sein Bestes für dich geben. Versprochen!
Wir unterstützen dich mit unseren Artikeln, Interviews und Kursen – Du bekommst Facts zu pferdegerechter Haltung und Fütterung, feinem Training und Pferdeverhalten.
Petra und Carey
Wer wir sind