Schau in den Spiegel. Was siehst du da? Frage deine Freunde. Was erzählen sie dir? Atme tief ein und aus und beobachte dich kurz von außen. Was erkennst du dann? Du bist eine Persönlichkeit. Du hast Facetten und Charaktereigenschaften und Gefühle. Du bist keine Maschine und du reagierst vielleicht auch ein stückweit unterschiedlich auf verschiedene Menschen, die dir begegnen. Du möchtest sicher gerne deiner Gefühlswelt entsprechend behandelt werden. Vielleicht auch Verständnis für deine Ecken und Kanten bekommen und gefordert werden ohne überfordert zu werden. So! Und jetzt stelle ich dir eine Frage: Wieso sollte es deinem Pferd anders gehen?
Es ist auch eine Persönlichkeit und hat Eigenschaften und es möchte – innerhalb seiner Körpersprache und Kopfstrukturen – diese Persönlichkeit respektiert und geschätzt sehen.
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Vertrauen ist alles bei Pferden
Wenn ein Pferd nicht gerne mit seinem Menschen geht, kann das – mal ganz schwarz-weiß gesprochen – zwei große Gründe haben:
- Es ist rangniedrig und traut dem Menschen nicht zu im Ernstfall die richtigen Entscheidungen zu treffen. Deswegen kann es nicht richtig entspannen.
- Es ist ranghoch und will die Verantwortung nicht abgeben, weil es dem Menschen die Entscheidungen nicht zutraut.
Zweimal sieht das Ergebnis ähnlich aus, aber der Grund ist ein anderer. Dazwischen gibt es noch viele verschiedene Facetten und Graustufen:
- Natürlich haben Pferde auch eine Persönlichkeit und eine Vergangenheit und all das spielt mit hinein in die Beziehung zwischen Pferd und Mensch.
- Auch du hast eine Vergangenheit und bringst sie mit in euer Team. Natürlich gibt es kompliziertere und einfachere Pferde. Auch das spielt mit hinein.
- Da wären wir dann auch wieder bei der Persönlichkeit, die durch unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und unseren Genpool bestimmt wird.
- Dann kommt natürlich noch als Graustufe dazu, dass Pferde verschiedene Aufgaben und Ränge innerhalb einer Herde haben und auch mit unterschiedlichen Herdenmitgliedern unterschiedlich agieren.
Es ist ein bisschen wie mit einer Waage – je nachdem was in der anderen Waagschale liegt, verändert und verschiebt sich das Gleichgewicht. Trotz allem bleibt es ja immer eine Waage.
Ich selbst habe ein dominantes Pferd und weißt du was? Ich lasse mir von dem „Gaul“ auch mal was sagen. Mein Pferd darf eine Meinung haben und ich respektiere den Stolz meiner Stute. Ich bin ehrlich – es ist nicht immer leicht und manchmal auch sehr frustrierend, wenn man nicht den Weg der Dominanz geht. Aber gleichzeitig bekommst du Vertrauen und Motivation geschenkt, wenn du den Charakter und die Persönlichkeit deines Pferdes ins Training miteinbeziehst.
Bleiben wir bei dem Beispiel eines dominanten Pferdes. Stell dir mal eine Gleichung vor:
1 + 1 = 2 bedeutet für mich: Dominanz + Dominanz = Kampf
Ist es das, was du willst? Wenn du deinem Pferd mit Druck und Dominanz begegnest, wirst du vermutlich eher in einen Kampf geraten. So lange und so oft, bis einer von euch beiden aufgibt. Das ist zumindest die schwarz-weiße Antwort auf die Frage: Wie viel Druck braucht ein Pferd?
Druck erzeugt Gegendruck!
Was ich sagen will: Respekt ist keine Einbahnstrasse und es ist dein gutes Recht Höflichkeit und Respekt von deinem Pferd einzufordern. Gleichzeitig stellt sich immer die Frage, wie du es einforderst und ob du deinem Pferd auch Respekt entgegenbringst.
Natürlich gibt es viele Graustufen und ich kann dir in einem Artikel nicht alle darstellen. Du kannst diese Gleichung natürlich auch auf andere Pferdetypen anwenden. Auch mit ängstlichen oder gutmütigen Pferden können sich Gleichungen ergeben.
Deswegen gilt für mich grundsätzlich die Gleichung:
1 x 1 = 1 bedeutet für mich: Respekt x Respekt = Partnerschaft
Welcher Charaktertyp ist dein Pferd?
Jedes Pferd braucht im Grunde eine Ansprache, die seiner Persönlichkeit entspricht. Gleichzeitig bist du auch eine Persönlichkeit und musst deswegen einen Weg finden, der zu dir passt und deinem Pferd gerecht wird.
- Ein ängstlicheres oder rangniedriges Pferd braucht eine andere Ansprechhaltung als ein bequemes oder schüchternes Pferd.
- Ein dominantes Pferd braucht auch wieder eine andere Ansprechhaltung und auch ein anderes Trainingskonzept als ein devotes Pferd.
- Ein wütendes Pferd braucht auch eine andere Ansprechhaltung als ein gutmütiges Pferd.
- Ein Introvertiertes will etwas anderes von seinem Menschen als ein extrovertiertes Tier.
Diese Liste könnte ich noch ewig weiterführen. Letztlich läuft alles auf die Frage hinaus, was für ein Typ dein Pferd ist.
Wir versuchen jetzt mal zusammen dein Pferd einzusortieren. Wie gesagt, das ist sehr pauschal, aber es ist ja ein Artikel und kein ganzes Buch. Es sind also nur grundlegende Ideen und Richtungen. Du musst dein Pferd einfach viel beobachten und nach und nach ein genaueres Bild bekommen.
Pferde haben – genau wie wir – verschiedene Facetten und können nicht einfach nur in eine Schublade gesteckt werden. Ich gebe dir jetzt erst einmal 5 Fragen mit und beschreibe dir dann meine Stute anhand dieser Fragen als ein Beispiel.
5 Fragen um dein Pferd besser kennenzulernen
- Wie steht mein Pferd im Rang in der Herde? Und wie setzt es seinen Rang durch?
- Welches Geschlecht hat mein Pferd?
- Ist es leichter zu „beschleunigen“ oder leichter zu „bremsen“?
- Erschrickt es leicht oder ist es eher nicht aus der Ruhe zu bringen?
- Läuft es lieber mit der Nase nach vorne oder lieber weiter hinten?
Zu 1:Du kannst am Rang deines Pferdes schon einiges erkennen. Je höher der Rang, desto mehr Willen und Dominanz im Wesen – in aller Regel. An der Art, wie es seinen Rang durchsetzt, kannst du seine Kommunikation, seinen Willen und seine Einstellung zu anderen ein stückweit ablesen.
Zu 2:Das Geschlecht kann dir einiges über die Kommunikation sagen. Stuten kommunizieren anders als Hengste und die wiederum anders als Wallache. Kurz gesagt: Beim Wallach fehlt ein Großteil der Hormone durch die Kastration, die bei Hengsten und Stuten durchaus mal zu Wallungen führen können.
Stuten kommunizieren eher über Energie und sind oft schneller reizbar und klarer in ihren Ansagen. Das wird ihnen dann gerne als Zickigkeit nachgesagt. Aber im Grunde müssen sie so sein, weil sie ja irgendwann ihren Nachwuchs regeln und beschützen müssen und da darf man einfach nicht zimperlich sein in der rauen Wildnis. Gleichzeitig haben sie durchaus eine schützende und leitende Funktion in der Herde und sind Entscheidungstreffer. Diese Verantwortung wollen sie auch tragen und spielen ihre Rangvorstellungen eher über Energie oder schnellere körperliche Warnungen aus. Wallache oder auch Hengste regeln viel mehr über die Körperlichkeit. Sie diskutieren und spielen viel mehr Rangfolge über körperliches schubsen und Kopfkontrolle des anderen.
Zu 3:Das kann dir etwas über die Seele deines Pferdes verraten. Ist es eher introvertiert oder extrovertiert? Damit kannst du dann in deinem Training ein bisschen mehr arbeiten und vielleicht auch besser verstehen, warum die eine oder andere Übung deinem Pferd leichter oder schwerer fällt. Warum es vielleicht nicht so rasant angaloppiert kommt, wenn du rufst oder wie es um die beste Art und Weise der Motivation steht. Introvertierte Pferde sind eher besser zu bremsen als zu beschleunigen.
Zu 4:Je nachdem wie leicht oder schwer es erschrickt, kannst du etwas über sein Selbstbewusstsein ablesen und seine Coolness natürlich. Das wiederum kann dir helfen bei der Frage, ob dein Pferd manchmal vielleicht einfriert, weil es nicht davon überzeugt ist, dass dein Vorschlag der richtige ist oder weil es vielleicht einfach Angst hat oder verzweifelt bei der Frage, wie es deine Aufgabe interpretieren soll. Auch an der Art, wie dein Pferd bei Angst reagiert kannst du einiges ablesen. Fight, Flirt or Freeze – heißt es in der Verhaltenskunde. Wird es wild? Will es fliehen oder friert es ein?
Zu 5:Auch das sagt dir etwas aus über den Grad an Verantwortung, den dein Pferd gerne übernehmen möchte. Die Gleichung ist natürlich nicht so pauschal. Leittiere laufen nicht immer voraus. Aber ein sehr unsicheres Pferd wird ungerne die Führung übernehmen und sich an die Spitze setzen wollen – erstens könnte es dann ja vom Löwen gefressen werden und zweitens müsste es dann ja eine sichere Entscheidung für die Herde treffen im Notfall und das wird ein unsicheres Pferd ungerne tun. Es möchte gar nicht so gerne Verantwortung haben.
Natürlich gilt auch hier, dass es nur Nuancen oder Richtungen sind. Was für 10 Pferde gilt, kann beim 11. Pferd wieder anders sein. Die Fragen können dir eine Hilfe sein, eine Richtung zu erkennen. Soweit die Theorie.
Die 5 Fragen an einem praktischen und persönlichen Beispiel
Jetzt beantworte ich dir mal die 5 Fragen anhand meiner Stute und einer Charakterbeschreibung von ihr. Damit du eine Vorstellung bekommst, wie man sie interpretieren kann.
Weil meine Stute ein dominantes Pferd ist, geht es in dem Artikel anschließend darum, wie ich mit diesem Charaktertyp umgehe und ich beantworte die Frage, warum ich fest daran glaube, dass sich Pferde nicht mit Dominanz oder gar fetzenden Gerten und exzessiver Druckstufenerhöhung pferdefreundlich trainieren lassen.
Zu 1: Meine Stute ist das Kind einer Leitstute.Es liegt in ihrem Blut und in ihrer Erziehung Rang zu diskutieren und innerhalb einer Herde die Positionen zu klären. Genauso tritt sie auch in der Herde auf. Trotz ihres jungen Alters ist sie relativ ranghoch und muss diesen Rang auch immer wieder klären, wenn ihr ein anderes Pferd in den Weg kommt. Sie kann schlecht zusehen, wenn in einer Herde Unklarheit besteht und glaubt ihre eigene Herde nach rechts und links verteidigen zu müssen.
Zu 2: Ich habe eine Stute – wie sie im Buch steht.Sie diskutiert in der Herde erst über Energie, dann auch recht schnell mit ihren Zähnen und Hufen. Sie will ungerne Kompromisse machen und weiß genau, was sie will. Sie testet auch bei mir immer wieder, ob ich weiß was ich will. Das können Zentimeter sein, die sie mich dezent verrücken will auf unserem Spaziergang, es können aber auch plötzliche unwillige deutliche Äußerungen sein, wie eine ungeduldige Kopfbewegung. Je nach Tagesform und je nachdem, wie sehr ich darauf achte meine energetische Kommunikation im Griff zu haben. Sie geht ungerne Kompromisse ein und weiß genau, was sie will.
Zu 3: Carey ist leichter zu Bremsen als zu Beschleunigen.In aller Regel. Sie ist eher introvertiert und fast schon in sich abgeschlossen. Sie braucht relativ viel Individualabstand zu anderen Pferden. Auch das ist Zeichen ihrer starken Dominanz. Es sei denn, das Pferd gehört zu ihrem Inner Circle – oder der Mensch. Ihre Vertrauens- und Liebesbekundungen sind sehr dezent. Wenn ich ein Brummeln bekomme, ist das ein großes Geschenk. Sie zeigt mir eher durch kleine Gesten ihre Motivation und ihr Vertrauen. Aber sie zeigt sie. Ich muss nur hinschauen. Fury-Momente bekomme ich nicht. Dafür bekomme ich Respekt und Vertrauen auf leise Gesten. Das sind ihre Zugeständnisse.
Zu 4: Carey erschrickt nicht so schnell.Zumindest wenn es sich nicht um Planen handelt. Sie orientiert sich aber auch sehr stark an mir oder den Ranghöchsten Pferden. Wenn ein rangniedriges Pferd erschrickt ist ihr das ziemlich egal, wenn sie nicht selbst Anlass zur Sorge sieht oder ich nervös werde. Auch das sagt einiges über ihr Selbstbewusstsein und den Grad ihrer Dominanz aus. Wenn ein anderer Mensch im Raum ist und ich nicht da bin, ist sie sorgenvoller und nervöser. Sie braucht lange bis sie vertraut – wenn man ihr Klarheit gibt sitzt das Vertrauen dann aber ziemlich bombenfest.
Zu 5: Carey läuft lieber mit der Nase vorne.Sie hat den hohen Drang andere Herdenmitglieder zu schützen und gegen fremde Pferde zu verteidigen. Da kennt sie wenige Kompromisse. Sie hat aber auch kein Problem das Schlusslicht zu machen und nach „hinten“ aufzupassen – nur in der Mitte läuft sie nicht so gerne.
Hier noch zusammengefasst die Charakterstudie meines dominanten und eigenwilligen Pferdes:
- Meine Stute ist introvertiert, extrem dominant, sehr stolz und sich selbst am Nächsten.
- Sie braucht viel Individualabstand zu anderen Pferden und ist auch ziemlich bereit diesen Abstand deutlich zu verteidigen.
- Sie will ganz genau entscheiden, wer sich annähern darf und wer nicht. Sie ist fein und kann motiviert sein, kann aber auch ziemlich unangekündigt und plötzlich explodieren. Das äußert sich dann in einem Buckler oder einem unwilligen Kopfschlagen. Vielleicht weil ihr an dem Tag eine Laus über die Leber gelaufen ist, vielleicht weil sie die Art, wie ich meine Fragen an sie stelle an diesem Tag unverständlich findet, vielleicht weil irgendwo in ihren Augen und Ohren ein Gespenst vorbeiweht, das ich gerade nicht sehe.
- Ihre Reaktion auf Stress oder Angst ist in aller Regel schlechte Laune – also eher Fight!
- Wenn sie etwas nicht möchte, liegt es an mir sie dazu zu überreden, in ihrem Tempo und ihrem gewünschten Tonfall. Anfangs hat sie gar nicht versucht zu gefallen – mittlerweile ist sie oft sehr motiviert und versucht mich zu verstehen und meine Bitten zu beantworten. Aber nur, weil sie beschlossen hat, dass sie das bei mir möchte. Nicht weil ich es ihr beigebracht habe.
- Da sie sehr dominant ist, erwartet sie Klarheit und Stärke von mir. Gleichzeitig wünscht sie sich aber auch Respekt, denn sie ist ein sehr stolzes Pferd.
Wenn ich versuchen würde sie zu dominieren, würden wir kämpfen. Vielleicht bis aufs Blut. Irgendwann würde sie vermutlich aufgeben, wenn ich stark genug auftreten und meine menschlichen Ausrüstungsgegenstände zu meinem Vorteil nutzen würde. Sie würde mir aber nicht vertrauen oder NACHgeben, sondern AUFgeben. Äußerlich hätte ich ein braves Pferd, innerlich ein Pferd, das entweder nur darauf wartet, dass ich mal nicht so stark bin oder abschaltet, um mich zu ertragen. Beides steht nicht auf meiner Wunschliste.
Es kann gut tun sich nach und nach ein Bild zu machen – ohne das Pferd in eine Schublade zu stecken natürlich. Einfach wie ein Fluss, der da ist und eine bestimmte Farbe hat und eine bestimmte Form und eine bestimmte Fließgeschwindigkeit – die sich aber immer wieder ändern und andere Facetten bekommen kann.
Warum Pferdetraining Typsache ist
Weiß dein Pferd immer genau, was es will? Ist es vielleicht sehr selbstbestimmt? Ist es ranghoch in der Herde? Diskutiert es immer wieder mit dir? Dann hast du vermutlich ein dominantes Pferd. Dann hast du vermutlich aber auch viele Menschen um dich herum, die dir sagen, dass du dich endlich durchsetzen sollst. Dass du dir von dem „Gaul“ nichts sagen lassen sollst. Oder, dass du dein Pferd mal so richtig in seine Schranken weisen sollst. Weil das leider oft genau der Weg ist, der bei dominanten Pferden – gebeten oder auch gerne ungebeten – geraten wird. Aus meiner Sicht gibt es einen viel besseren Weg.
Wie du ein dominantes Pferd pferdefreundlich trainieren kannst
Ich bin kein dominanter Mensch. Ich möchte Harmonie, Frieden und Zufriedenheit in meinem Leben. Gleichzeitig weiß ich trotzdem was ich will und was ich nicht will. Genau diesen Weg gehe ich auch mit meinem Pferd. Nun kommt also ein Harmonie-Mensch mit einem dominanten Pferd zusammen und viele würden dir sagen, dass das nicht funktionieren kann. Ganz althergebracht kursiert ja die Meinung, dass Pferd dominiert werden müssen und gerade dominante willensstarke Pferde umso mehr. Ich sage dir, dass das Quatsch ist.
Vertrauen hat nichts mit körperlicher Stärke zu tun. Vertrauen entsteht, wenn jemand sicher und sich seiner Stärken und Schwächen bewusst auftritt. Wenn jemand weiß, was er will und dass was er will logisch ist. Vertrauen entsteht mit der Zeit und den guten Erfahrungen, die man miteinander macht.
Ich persönlich überlege mir auch genau, wann ich was trainiere. Und welche Übungen wir grundsätzlich weglassen. Es gibt Tage an denen ich den Galopp an der Hand einfach nicht abfrage, weil ich an der Stimmung meines Pferdes merke, dass wir in Kampf und Diskussion enden würden und das vermeide ich. Dann überlege ich mir spontan andere Aufgaben, die mehr Ruhe und Gelassenheit in uns beide bringen.
Ganz praktisch? Übungen für ein dominantes Pferd
- Bei den Zirkuslektionen setze ich zum Beispiel eher auf vertrauensbildende Lektionen, wie das Kompliment oder verspielte Kopfarbeit wie das „Smile“ – das Lächeln. Selbstbewusstseins-Lektionen wie Steigen oder Spanischer Schritt sind auf später oder Nie verschoben.
- Wir trainieren viel an der „Kopfkontrolle“. Also „Kopf Tief“, Stellung und andere Kopfarbeit. Aber sanft und mit Zeit und zum Teil auch Akupunkturmassagen. Denn gerade Stuten und auch dominante Pferde geben ungerne die Kontrolle über ihren Kopf ab. Das sollte man einerseits respektieren, sich aber andererseits sanft und mit Geduld die Erlaubnis erarbeiten den Kopf verschieben und Stellen zu dürfen.
- Tempiwechsel: Wer das Tempo bestimmt hat die Macht ;-) Ich übe viel Tempoübergänge im Schritt oder im Trab. 10 langsame Schritte – dann 5 schnelle Schritte – dann wieder 5 langsame Schritte. Nicht gleichförmig, sondern überraschend. So muss das Pferd achtsam bleiben und zuhören, die Kommunikation verfeinert sich und meine dominante Stute lernt, dass ich das Tempo und die Richtung bestimmen möchte.
Was ist Respekt?
Respekt entsteht, wenn jemand seine Grenzen verteidigen kann, das aber höflich und bestimmt macht. Wenn jemand respektabel auftritt, Verantwortungsbewusstsein zeigt und ehrlich und authentisch ist.
Was löst körperliche Dominanz in dir aus? Unwohlsein vielleicht? Angst sogar? Vermutlich auch Unsicherheit oder mangelndes Vertrauen in das Gegenüber oder gar Vorsicht. Zumindest nicht das Gefühl von Sicherheit oder dass du offen und ehrlich und ganz du selbst sein kannst. Wieso sollte es deinem Pferd anders gehen?
Das alles ist aber kein Plädoyer für einen grenzenlosen Umgang oder Kuschelkurs, wenn dein Pferd tritt oder beisst. Denn dann verletzt es elementare Höflichkeitsregeln und dann darfst du ihm auch entsprechend deutlich sagen, dass du das nicht möchtest.
Tipps für den sanften Umgang mit einem dominanten Pferd
Wie also gehe ich mit meiner dominanten Stute um?
- Es gibt Regeln – für beide Seiten:Ich habe Grundregeln und Grenzen, die dürfen nicht überschritten werden. Dann sage ich ihr auch, dass ich das nicht möchte. Schubsen, beissen, drohen oder treten sind zum Beispiel nicht erlaubt. Gleichzeitig gelten aber auch Regeln für mich. Ich bleibe respektvoll und höre meinem Pferd zu. Ich prüfe, warum sie etwas nicht machen möchte und achte immer darauf, dass Schmerz nicht die Ursache für ein „Nein“ ist. Ich nehme mir Zeit alles zu erklären und bleibe möglichst freundlich aber konsequent bei meinen Ideen.
- Ich passe meinen Tonfall dem Tonfall meines Pferdes an:Versucht meine Stute leicht mich zu schubsen, korrigiere ich leicht. Würde sie versuchen mich zu beissen, würde ich mit meinen Fingern zurück“beissen“ und ihren Kopf wegschieben. Droht sie mit dem Huf, sage ich scharf und deutlich Nein. Checkt sie freundlich und leise, ob ich etwas möchte oder nicht möchte, sage ich ihr leise und freundlich „nein“. Sie merkt mittlerweile schon an meinem Tonfall, was ich meine.
- Ich schlage mein Pferd nicht, prügle sie nicht und setze mich nicht mit Gewalt durch:Anfangs hat sie versucht mich vom Heu wegzuschubsen, wollte die Hufe nicht geben, hat versucht mich seitlich weg zu navigieren oder wollte weder rückwärts gehen noch anhalten oder mir weichen und Platz machen. Ich habe sie aber nicht mit der Gerte geschlagen oder in die richtige Richtung geprügelt, sondern auf kleinste Zeichen geachtet. Pingelig und penibel auf grundlegende Höflichkeiten Wert gelegt und uns beiden für jede Aufgabe sehr viel Zeit gelassen. Mittlerweile ist das alles kein Thema mehr.
- Auch mein Pferd darf eine Meinung haben: Es gibt Dinge, die immer gelten. Aus Sicherheitsgründen. Ein Stop ist ein Stop ist ein Stop. Ich will ja nicht, dass sie über eine befahrene Strasse läuft, weil sie mir nicht zuhört. Aber ansonsten darf mein Pferd Nein sagen. Ich passe meine Trainingsidee auch der Tagesform meines Pferdes an. Ich setze meine Ideen für den Tag nicht immer durch, sondern achte auf die Stimmungslage des Pferdes. Sonst müsste ich Kämpfe riskieren, die ich nicht führen will. Wird meine Stute bockig oder will unbedingt grasen beispielsweise, dann biete ich ihr meist andere Aufgaben oder Wege oder Richtungen an, damit sie neuen Input für den Kopf bekommt. So können wir auch Diskussionen oft umgehen.
- Kleinste Schritte in die richtige Richtung wurden und werden gelobt: Schon die Idee in die richtige Richtung reicht für ein Lob. So braucht es vielleicht mehr Zeit, um mit einem dominanten Pferd anzukommen, aber es braucht auch keine Gewalt oder körperlichen Druck, sondern Vertrauen, Geduld, Konsequenz, Klarheit und ein Lächeln. Immer wieder ein Lächeln.
Das ist jetzt die grobe Zusammenfassung. Natürlich kämpfen auch wir manchmal im Alltag mit der Frustration und wir können noch lange nicht so viel, wie wir vielleicht könnten, wenn ich mich immer durchgesetzt hätte und mit Gertengewalt oder meiner Dominanz trainiert hätte, was auf meinem inneren Zeitplan stand. Gleichzeitig brummelt meine introvertierte dominante Stute öfter, wenn sie mich sieht, kommt meist ans Gatter und ist ruhiger, gelassener und motivierter bei mir als bei anderen Menschen. Das alles sind die kleinen Zeichen dafür, dass sie trotz all ihrer Dominanz Vertrauen entwickelt hat und ich ein verlässliches Pferd an meiner Seite habe, dass ich nicht zurechtriegeln und unterdrücken musste, um das zu erreichen.
Dominanz begegnet man am Besten nicht mit Dominanz, sondern lieber mit Klarheit, Freundlichkeit und Respekt. Regeln müssen für beide Seiten gelten und meine persönliche Erfahrung ist, dass ich oft am nächsten Tag mehr geschenkt bekommen habe, wenn ich am Vortag auch mal ein Nein akzeptiert habe.
10 Kommentare
Liebe Petra,
ich möchte deinen Artikel auch noch einmal kommentieren und deine Einstellung unterstreichen.
Ich war lange Jahre auch überzeugt von dem viel gepredigten Dominanzanspruch und hatte trotzdem ein relativ respektloses, ja freches Pferd. Man lernt es einfach so und beim Reiten klappte es ja, also belässt man es dabei.
Bis ich mit meinem Partnerschaftspferd vor 2 Jahren einen Reitunfall hatte, der dazu geführt hat, dass er zwar körperlich fit ist, aber leider eine Form von Ataxie hervorgerufen hat, die ihn unreitbar machte.
Also, was macht man mit einem 16-jährigen, der fit aber unreitbar ist? Man versucht sich an der Bodenarbeit. Ohne Trainer musste ich sehr viel rum probieren (und zum Glück habe ich den 100%igen Rückhalt meiner Besitzerin), aber auch aufgrund deiner! Denkstösse ist es mir innerhalb weniger Wochen intensiver Arbeit gelungen, aus dem dominaten, immer abfragenden, vielfach durch Langeweile frechem Pferd ein äußerst kommunikatives, waches, interessiertes Pferd zu machen.
Wobei “machen” das falsche Wort ist, viel eher ist er wohl zu dem geworden, was er schon immer war. Häufig blitzt der Schalk aus seinen Augen und er fragt ab und an immernoch nach, ob ich sicher bin, dass ich das gerade auch so meine, wie ich sage. Aber wenn er sich trollt und freudig meine Wünsche erfüllt, was gibt es schöneres???
Ich möchte nur allen Mut machen, dem Pferd zuzuhören, auf es einzugehen, die blöden Sprüchen vom Rand zu ignorieren – für die Belohnung, einen echten Partner zu haben, der sich ehrlich freut, Zeit mit dir verbringen zu dürfen!
LG und nochmals vielen Dank für alle Artikel und Denkstösse in der Vergangenheit und in Zukunft!
Hallo liebe Bianca, wow – dein Kommentar macht mich richtig glücklich. Danke! Und Danke! Und Danke! Ich freue mich sehr, dass ihr so einen schönen Weg gefunden habt miteinander. Ich glaube, dass es genau der Richtige ist. Wir wollen alle einen Partner und ein freudiges Pferd und dann glaubt die große Mehrheit, dass das mit Dominanten Methoden erreichbar sein soll. Es ist schon absurd, wenn man mal genauer darüber nachdenkt. Würde ich persönlich gerne mit jemanden zusammensein, der mich immer zusammenstaucht? Oder durch alles mit körperlicher Dominanz “durchzwingt”? Irgendwann würde ich vielleicht mitmachen – mehr oder weniger genervt oder ängstlich je nach Charakter – aber gerne und mit all meinem Herzen sicher nicht. So dürfte es auch den Pferden gehen. Aber wenn ich jemanden mag, seine Fürsorge spüre und demjenigen Vertraue und er sagt mir freudig und liebevoll “vertrau mir” und “komm, wir haben Spaß” – dann sähe das ganz anders aus. Auf jeden Fall viele liebe Grüße an euch zwei und bis bald, Petra
Liebe Petra,
diesen Artikel brauchte uch gerade. Toll, wie du das in Worte fasst, was mir gerade häufig durch den Kopf geht! Meine Stute ist sehr dominant und stur. Aber mir wurde auch klar, dass sie nur testet, um herauszufinden, ob ich auf sie aufpassen kann. Da ich ebenso „undominant“ bin wie du versuchte ich es immer auf andere Wege. Aber ich denke mittlerweile, dass das wichtigste Fairness ist. Das heisst, ich probiere, klar & freundlich mit ihr unzugehen, setze aber trotzdem Grenzen☺️ Es ist noch ein bisschen schwierig für mich, ihr genügend Sicherheit zu vermitteln, da ich selbst noch etwas unsicher bin, aber es kommt?
Danke für diesen spannenden Beitrag!
Lg Nina
Liebe Nina, da sagst du etwas – diese Gradwanderung ist wirklich nicht leicht – gerade, wenn man eben nicht so gerne “dominant” auftritt als Persönlichkeit. Ich finde aber, dass dein Weg sehr gut klingt und letztlich ist es alles ja auch ein bisschen Persönlichkeitsentwicklung und Persönlichkeitsfindung, sobald es um vertrauensvolles Pferdetraining geht. Auch wenn es manchmal schwierig sein kann, empfinde ich das immer wieder als Geschenk :-) Ganz liebe Grüße, Petra
Wow Petra, diesen Artikel brauchte ich gerade?Meine Stute ist echt total dominant, stur, faul…. So nennen es jedenfalls einige, ich glaube aber, dass sie nur testen will, ob ich die Verantwortung für sie tragen kann, ob ich vertrauenswürdig bin. Ich habe auch lange nach dem Weg gesucht, mit ihr umzugehen… Natürlich wurde auch mir gesagt, ich solle mich eben durchsetzten & co, aber Dominanz liegt genau so wenig in meiner Natur wie in deiner? Und mir fällt es ebenfalls noch schwer, diese Sicherheit und Autorität auszustrahlen, da sie meine erste Reitbeteiligung ist und ich immer Angst habe, Fehler zu machen??
Aber dein Artikel ist richtig inspirierend, um es so zu sagen?Gerade sind mir etliche Lichter aufgegangen und ich werde von nun an nicht mehr versuchen, Dominanz mit Dominanz zu bekämpfen. Ich werde versuchen, auf die kleinsten Zeichen zu achten, die mein Pferd mir gibt, und ruhig und konsequent zu reagieren. Das Ganze mit einer positiven Ausstrahlung. DAS ist Autorität, ein Leittier, dem man sich gerne anvertraut♥️ Danke für diesen Beitrag!
PS: vielleicht hast du mir noch einen Tipp? Meine RB hat kaum Respekt vor der Gerte, sie wird von der Besitzerin recht verwöhnt und weicht nicht, da sie nie „Angst“ vor der Gerte gelernt hat. Also das ist ja grundsätzlich gut, und ich weiss dass es auch andere Methoden gibt, ein Pferd zum weichen bringt, aber ich wäre einfach mal froh um deinen Rat?
Hallo liebe Nina, wie lieb – das freut mich sehr, dass der Artikel dir ein bisschen Inspiration war. Danke für deinen Kommentar :-) Ich glaube, dass die Angst vor Fehlern ganz natürlich ist und gerade für nette Perfektionisten eine große Aufgabe, bei deren Überwindung uns die Pferde helfen können. Denn die Pferde spüren, wenn wir zögerlich sind. Ich glaube, dass das wichtigste ist, einen Plan zu haben. Also im Kopf genau zu verbildlichen, was wir wollen – ganz pragmatisch und kleinteilig. Ein Beispiel: Nicht überlegen, ob das Pferd rückwärts geht oder mit dem Kopf bei dem anderen Reiter in der Halle sein oder sich beim Rückwärts-“Befehl” schon fragen ob man gerade alles korrekt macht, sondern einfach hingehen und nur denken “rückwärts bitte, liebes Pferd”. Die Pferde spüren den Unterschied in unseren Gedanken und in unserem Kopf. Zu deiner Frage: Angst sollte ein Pferd ohnehin nicht vor der Gerte haben. Eigentlich sollte es die Gerte einfach nur als verlängerten Arm sehen. Ich persönlich würde mein Pferd erst einmal mit der Gerte komplett und ganz ruhig abstreichen, damit es lernt, dass die Gerte nicht böse ist und seinen Körper spüren kann. Dann würde ich vom Boden aus verschiedene Körperteile erst mit meiner Hand und den Fingerspitzen, dann mit der Gerte bewegen und jeden kleinsten Schritt in die richtige Richtung loben, mit einer Pause oder Stimme oder Leckerli – wie auch immer du Lob aussprichst. Damit das Pferd einfach lernt, dass ein Tippen oder Wackeln mit der Gerte ein Signal ist. Dadurch, dass du das am Boden mit deiner Körpersprache unterstützt, verstehen die Pferde in aller Regel schnell, was du willst – hilft dir das ein bisschen weiter? Ganz liebe Grüße, Petra
Das passt genau auf meine Stute. . Ich gehe aber auch genau so mit ihr um wie hier beschrieben. .Ein Jahr hat es gedauert bis ich das erkannt habe und nicht mehr auf andere gehört habe. Immer noch meinen mir die Leute Tipps geben zu müssen das ich ihr zeigen soll wo es lang geht. . Das nervt einfach. Ich habe mir ein inniges Verhältnis mit meiner Stute erarbeitet ohne jegliche Gewalt. .Sie testet auch immer wieder ,aber das ist nunmal so. Das einzige wo wir noch Probleme haben ist, das sie mir auch die Hufe nicht geben will.. und wehrt sich mit rumhampeln und treten . . .Ich vermute da eher schlechte Erfahrungen. ..Aber das ist unser einziges Problem. Danke für diesen tollen Bericht der mir doch bestätigt nicht alles falsch gemacht zu haben.
Hallo liebe Anna, wie schön, dass du deinen eigenen Weg gegangen bist. Ich finde das nicht immer einfach. Manchmal zweifle ich auch, wenn meine Kleine mal wieder einen Testmoment hat oder die Diva rauskehrt. Und dann sieht und hört man viele Stimmen um sich herum und es kostet wirklich Willen den eigenen Weg weiterzugehen. Aber es lohnt sich so sehr. Auch das stelle ich immer wieder fest. Sie sollten auch Pferde und Persönlichkeiten sein dürfen :-) Deswegen ist es immer wieder gut, wenn wir alle uns austauschen und uns gegenseitig bestärken – drück dich und viele liebe Grüße, Petra
Ein sehr toller Artikel.
Vielen Dank dafür.
Meine Stute ist sehr ähnlich im Verhalten.
Ich fände noch mehr Tips sehr hilfreich wie man das Vertrauen einer dominanten Stute bekommt sehr hilfreich.
Vielen Danke
Hallo liebe KB, danke – das freut mich sehr. Ich glaube, dass ganz viel indiviuell ist und sich in vielen kleinen und großen Situationen entscheidet. Wenn du klar bist, versuchst in dir und deinen Gefühlen zu ruhen und ein sicherer und klarer ruhender Pol für dein Pferd zu sein, kannst du das Vertrauen immer und immer weiter stärken. Ds gilt für alle Pferde, aber bei dominanten Pferden um so mehr. Regeln müssen klar sein, und wir Menschen müssen klar sein. Dominante Pferde sind es gewohnt viel Verantwortung zu tragen und die geben sie nur gerne an Menschen ab, denen sie Vertrauen können und zutrauen ihr Leben in seinen Händen zu halten. Das ist jetzt nicht total konkret, aber ich denke dass ganz viel Selfmastering und Gefühl ist. Das ist ein Weg und passiert nach und nach – aber das ist im Grunde der Tipp für Dominante Pferde. Ich hoffe, dass dir das trotzdem ein bisschen weiter geholfen hat und schicke Viele liebe Grüße, Petra