Hackamore
Die Hackamore ist im Grunde eine gebisslose Zäumung. Der Begriff wird aber für zwei verschiedene Zäumungen verwendet.
Es gibt die mechanische Hackamore und die altkalifornische Hackamore (gerne auch klassische Hackamore genannt). Ich werde dir jetzt beide erklären. Die Wirkung, die Idee und die Anwendungsweise, damit du dir selbst ein Bild machen kannst, ob so eine Hackamore das Richtige für dich und dein Pferd ist.
Die altkalifornische Hackamore
Die altkalifornische Hackamore ist eine Art Zaumzeug-Kombination, die aus der altkalifornischen Reitweise stammt. Das ist im Grunde die Wiege des Westernreitens. Jean-Claude Dysli gilt als einer der berühmten Vertreter dieser Reitweise.
Du musst dir das wie die Verbindung aus Dressurelementen und der Westernreitweise vorstellen, so wie sie heute oft geritten wird. Es dreht sich bei der altkalifornischen Reitweise auch alles um Versammlung, Aufrichtung, feine Hilfen, Gewichtshilfen und gymnastizierende Übungen, wie du sie aus der Dressur kennst – aber eben nicht mit dauerhafter Anlehnung, sondern mit Impulsartigen Hilfen und dem Neck-Reining als dem einhändigen Reiten über den Nacken des Pferdes.
Jetzt aber zurück zur altkalifornischen Hackamore.
Die altkalifornische Hackamore besteht aus:
- dem Bosal (dem Nasenstück)
- dem Hanger (dem Lederzaum um den Pferdekopf)
- der Mecate (das sind die Zügel, die um den “Knopf” am unteren Ende des Bosal gewickelt werden). Die Mecate ist ursprünglich aus Pferdeschweif oder Mähnenhaar geflochten. Es gibt sie heute aber auch aus Nylon oder Alpaka-Haar. – HIER gibt es eine aus Nylon oder Mähnenhaar
Zusammen am Pferd sieht das dann so aus:
Mehr über das Bosal und seine Wirkung kannst du HIER in einem Artikel über und mit Alfonso Aguilar erfahren – er erklärt in einem ausführlichen Interview die Wirkung und Reitweise mit der altkalifornischen Hackamore und vor allem warum das Bosal eine pferdefreundliche Zäumung ist.
Das Bosal ist aus Leder und Rohhaut gefertigt – weil es sich durch die Hauttemperatur auch ein Stückweit dem Pferdemaul anpasst mit der Zeit und biegsamer ist – um zusätzlich vom Reiter so perfekt für das Pferd eingepasst werden zu können. Bosal-Experten biegen sich das Bosal über Tage und Wochen passend zum Pferdemaul zurecht.
Die Hackamore muss dem Pferd so gut passen, wie zum Beispiel ein Hut oder eine Mütze auf den Menschenkopf. Nicht zu eng, nicht zu weit – bequem und trotzdem gut sitzend.
Die altkalifornische Hackamore ist im Grunde das Werkzeug für Reiter dieser Reitweise, um ihr Jungpferd in den ersten Jahren auszubilden. Einmal um das Pferdemaul nicht abzustumpfen und dann heutzutage, weil die jungen Pferde Zahnen können und auch ihr Gebiss und Kiefer meist erst mit 4 oder 5 einigermaßen ausgewachsen ist.
Ganz früher wurden die Pferde erst mit 5 Jahren angeritten, also wenn das Kiefer schon ausgewachsen ist. So oder so ist das Bosal aus Sicht der altkalifornischen Reitweise das beste Ausbildungswerkzeug für die ersten Jahre der Ausbildung. Erst mit einem dickeren Bosal, später mit einem feineren Bosal. Letzteres hat mehr Wirkung.
Dabei wird das Pferd aber nicht mit der Hackamore hin und hergezerrt, sondern über die Position des Bosal auf der Pferdenase sanft in verschiedene Positionen geführt.
Wenn das Pferd dann – nach einigen Jahren der Ausbildung – auf beides reagiert und die Basis der Versammlung beherrscht, wird noch zusätzlich eine Kandare eingeschnallt und mit zwei Zügeln geritten – um einerseits die Hinterhand zu aktivieren und andererseits die Aufrichtung anzufragen. Und wenn das Pferd das dann verinnerlicht hat, wird auf das einhändige Reiten umgestiegen.
Die mechanische Hackamore
Die mechanische Hackamore ist im Grunde ein Metallteil, das du statt der Trense in dein Zaumzeug über den Kinnriemen und den Nasenriemen einschnallst, wenn du zum Beispiel gebisslos Reiten willst. Sie hat eine deutliche Wirkung, weil sie sogenannte “Anzüge” hat – also eine Art Hebel. Du brauchst zwei Stück, die du rechts und links einschnallst. Dies ist ein etwas “sanfteres” Model, weil es gebogene Hebel hat und Kinn-, Nacken- , und Nasenriemen in weiteren Schenkeln eingeschnallt sind:
Am Hebel machst du dann deine Zügel fest. Die mechanische Hackamore sieht zwar erst einmal ganz sanft aus, weil eben kein Gebiss dran hängt. Allerdings ist sie im Grunde wie eine gebisslose Kandare. Deine Zügeleinwirkung geht nur nicht auf das Maul und die Zunge, sondern auf das Genick, die Pferdenase und den Kinnerv und gerade letzterer ist ziemlich empfindlich.
Das Nasenbein des Pferdes ist an der Stelle schon deutlich dünner, auf die du dann Druck ausübst. Du brauchst also auch da eine ruhige und feine Reiterhand. Die Lenkung soll ausschließlich durch die Gewichtshilfen passieren, die Hackamore selbst ist nur für die Hilfen zu den Dressur-Übungen gedacht.
Zum Beispiel weil du gebisslos Reiten willst. Oder weil dein Pferd Gebisse einfach nicht mag. Oder weil dein Pferd Zahnprobleme hat und du umsteigen willst. Aber: eine mechanische Hackamore ist nicht automatisch sanft, nur weil sie gebisslos ist. Sie hat eine Wirkung und du musst deine Reitweise an sie anpassen.
Also:
- Eine mechanische Hackamore ist vor allem für lose Zügel gedacht – NICHT für die Reitweise mit Anlehnung
- Eine mechanische Hackamore ist vor allem für die Korrektur gedacht
- Eine mechanische Hackamore wird vor allem mit Gewichtshilfen genutzt – denn Lenkung ist im Grunde nicht möglich damit, weil sie sich sonst verkantet
- Eine mechanische Hackamore wird einhändig geritten – Neck Reining ist da das Stichwort
Hackamore richtig verschnallen
Da sie eine Hebelwirkung hat, ist es sehr wichtig, dass sie nicht zu tief liegt. Du könntest dem Pferd sonst damit im Grunde das Nasenbein brechen. Das Nasenstück sollte auf dem Nasenrücken des Pferdes liegen und nicht auf dem tief liegenden Nasenbein deines Pferdes. Das ist sehr dünn und damit natürlich auch sehr empfindlich. Und du könntest deinem Pferd sonst regelrecht die Luft zum atmen nehmen, wenn es zu tief liegt. Das “weit oben liegen” gilt auch für den Kinnriemen. Sonst kannst du auch da deinem Pferd die Luft nehmen. Also nicht in der Grube vom Kinn sondern relativ weiter oben am Unterkiefer.
Die mechanische Hackamore darf auch nicht zu eng verschnallt werden, damit dein Pferd bei losen Zügeln keinerlei Druck verspürt. Ein Anhaltspunkt: Lass zwischen Nasenriemen und Pferdenase und Kinriemen und dem Unterkiefer deines Pferdes je mindestens einen Finger breit Abstand.
Die Hebel bei der mechanischen Hackamore
Die mechanische Hackamore ist für das einhändige Reiten gedacht. Weil sie sich aufgrund der Verschnallung sonst verkanten kann. Es gibt sie in verschiedenen Varianten
- gebogene Hebel
- gerade Hebel
- lange oder kurze Hebel
- weicher Kinnriemen oder Riemen mit Kette
Am sanftesten ist im Grunde die Hackamore mit den kurzen gebogenen Hebeln mit Metallkreuzen und einem nachgiebigen Kinnriemen, bei der dann auch noch die Nasenriemen und Zügel an den Metallkreuzen befestigt sind.
- Einen gepolsterten Physio-Nasenriemen gibt es zum Beispiel HIER
- Einen nachgiebigen sanften Kinnriemen mit Stretchanteil bekommst du zum Beispiel HIER
Die schärfste Variante der Hackamore ist die mit langen und geraden Hebeln und einem Kinnriemen mit Kette. Beides geht aus meiner Sicht gar nicht und ist unnnötig. Durch die Hebelwirkung ist sie nämlich keineswegs sanft per se. Wenn sie falsch angewendet wird, kann sie dein Pferd verletzen.
Wenn du eine sanfte und weiche Reiterhand hast, kann die mechanische Hackamore vielleicht eine Alternative zur Kandare mit Gebiss sein – weil du vielleicht Gebisslos reiten willst, aber schon sehr punktuelle Hilfen mit deinem Pferd in der Dressur entwickelt hast.