Halsring versus Reitring
Eine kleine Gedankenreise: Stell dir vor – du und dein Pferd. Mehr nicht! Ohne Zügel, ohne Trense oder gebisslose Zäumung. Ein Reitring schmiegt sich sanft um den Hals deines Pferdes, ihr galoppiert zusammen über den Platz, du zupfst leicht am Reitring, sitzt etwas tiefer ein, atmest einen langsameren Rhythmus, denkst an einen schönen Trab und dein Pferd wird langsamer. Eine schöne Vorstellung, oder?
Reitring oder Halsring: Was ist der Unterschied
Der größte Unterschied ist einfach hingeschrieben:
- Reitring = Reiten
- Halsring = Bodenarbeit
So ein Halsring ist im Grunde ein lockeres Seil, das du um den Hals deines Pferdes legen kannst. Du kannst ihn auch zum Reiten nutzen, hast aber deutlich schwammigere Signalgebung als mit einem festen Reitring. Ich nehme meinen Halsring als Halfterersatz und für die Bodenarbeit. So muss ich meine Körpersprache schulen und das Pferd lernt mehr auf meine Körpersignale und Stimmsignale zu achten, als auf den Zug am Halfter.
Halsringe für die Bodenarbeit bekommst du HIER – zum Beispiel auch das Model von Barefoot, das ich im Grunde täglich im Einsatz habe. Seitdem hat sich unsere Kommunikation am Boden immens verbessert. Das macht so viel Freude!
Der Reitring bezeichnet einen festen Ring. Er hat eine runde Form,. Dadurch kannst du ganz klar Signale geben, so dass keine schwammigen, sondern direkte Informationen bei deinem Pferd ankommen. Deswegen ist er zum Reiten einfach besser als der Halsring. Dein Pferd kann deine Körpersprache ja nicht so gut deuten, wenn du oben auf seinem Rücken sitzt.
Warum Reitring reiten
Das reiten mit dem Reitring schult deinen Sitz. Du musst viel mehr auf deine Körperlichen Signale achten und dein Pferd zusätzlich mittels Gewichtshilfen lenken, als mit einem Zaumzeug und Gebiss. Er animiert dich quasi regelrecht dazu an deiner Haltung und Körpersprache zu arbeiten, weil dein Pferd nur dann richtig reagiert. Du hast weniger direkte Einwirkung damit.
Im Grunde funktioniert das wie Neckreining beim Westernreiten. Du legst auf der einen Seite an (begrenzt also) und machst auf der anderen Seite des Halses frei (öffnest also) – so weiß dein Pferd, dass es nach rechts oder links gehen soll – je nachdem wo du angelegt hast.
Für dein Pferd ist es auch super, weil es seinen Kopf und sich selbst mehr tragen muss. Es kann sich quasi nicht so sehr auf die Reiterhand verlassen. Es fördert die Balance des Pferdes und entspannt den Pferdenacken beim Reiten.
Das Reiten funktioniert über Berührung. Ein Reitring fördert die Balance und Kommunikation mit dem Pferd.
ACHTUNG: Weil du weniger Kontrolle hast, solltest du dein Pferd gut kennen bevor du mit Reitring ins Gelände gehst oder grundsätzlich eher auf dem umzäunten Platz reiten.
Reitringe – Varianten
Es gibt tausend verschiedene Modelle auf dem Markt. Bsonders überzeugend finde ich persönlich die beiden Reitringe von Brockamp – den einen hat die sanfte Pferdetrainerin Linda Tellington Jones mitentwickelt.
Der „normale Reitring“ ist flexibler und hat einen weicheren Kern. Er ist formbar. Die Ringgröße ist jeweiles Stufenlos zwischen 1.15 Meter und 2.10 Meter verstellbar. Je nach Pferderasse und Pferdehals. Die Weite kann man durch das verschieben der Enden verstellen.
HIER gibt es so einen „normalen Reitring“
Der formstabile Reitring ist der, den Linda Tellington-Jones mitentwickelt hat. Er hat eine feste Inneneinlage und springt dadurch sozusagen immer in seine Form zurück. Das macht ihn super angenehm in der Handhabung.
HIER bekommst du den „Formstabilen Reitring“
Den kannst du dir fast wie einen Hulahoop-Reifen vorstellen. Dadurch ist er direkter in den Hilfen und sendet noch klarere Signale an dein Pferd.
Der klassische Reitring, der eben nicht formstabil ist, hat zwar auch eine feste Inneneinlage und einen Baumwollüberzeug, ist aber in der Hilfengebung einerseits schwammiger, andererseits sanfter. Er passt sich eher dem Pferdehals an.
Reitring – Mehr Losgelassenheit
Harmonie ist doch das, was wir alle wollen. Harmonie bedeutet Losgelassenheit und Vertrauen. Beides brauchst du, wenn du mit dem Reitring reiten willst. Der Reitring hilft dir auch dabei deine Hände ruhig zu halten und möglichst wenig mit den Händen am Pferd zu machen. Denn du kannst ja deutlich weniger einwirken damit.
Dein Pferd hat so mehr Raum um sich zu tragen und loszulassen. Eine starre oder feste Zügelhand bewirkt ja eher das Gegenteil. Reitring Reiten ist also nicht nur Sitzschulung, sondern auch Handschulung.
Zügelunabhängig Reiten heißt auch Bügelunabhängig reiten – du sitzt also nur mit deinem Popo und hältst das Gleichgewicht aus der Körpermitte heraus mit lockeren Sitzbeinhöckern. Ohne klammernde Beine, ohne festsitzende Füße. Einfach locker. Dann fängt nämlich jede Bewegung von dir an, etwas für das Pferd zu bedeuten. Ihr seid wirklich in einer Kommunikation. Das kannst du am Besten mit einem Reitpad ohne Bügel und einem Reitring üben.
Kontrollverlust mit dem Reitring
Das Reiten mit dem Reitring ängstigt viele erstmal. Das Gefühl von Kontrollverlust breitet sich aus. Kein Zaumzeug, kein Gebiss, keine Einwirkung. Deswegen ist es sinnvoll das erst einmal in der Halle zu üben, also in einem begrenzten Raum. Gleichzeitig bedeutet es aber auch innerlich loszulassen und dem Pferd erst einmal zu vertrauen. Nur dann wirst du auch locker genug sitzen und deinem Pferd die richtigen körperlichen Signale geben können. Vielleicht hilft es auch zu wissen, dass echte Kontrolle kaum etwas mit Gebissen und Ausrüstung zu tun hat, sondern mit einem sicheren Reiter und einem entspannten Pferd.
Die Kontrolle mit Gebiss ist also ein subjektives Gefühl, dass der Realität nicht wirklich entspricht. Wenn ein Pferd durchgehen will, wird es das auch mit Gebiss tun. In der Regel ist es auch so, dass die Pferde auf die sensiblen Signale mit dem Halsring viel besser reagieren als auf Druck durch das Gebiss. Sie schätzen die feinen Hilfen, die dadurch bei ihnen ankommen und bedanken sich meist mit mehr Achtsamkeit und feineren Reaktionen bei ihrem Reiter.
Damit die Kommunikation am Anfang nicht zu chaotisch wird, kannst du zum Beispiel das Zaumzeug als Back-Up dran lassen und den Reitring zusätzlich nehmen. So kannst du beide Signale verbinden und im Zweifelsfall eingreifen, wenn du bei der Lenkung noch zu schwammige Signale für dein Pferd geben solltest.
Du kannst dir dann einfach Pylonen aufstellen und zum Beispiel Schlangenlinien reiten und so erstmal die Rechts-Links-Signalgebung üben.
Reitring reiten: die Hilfen
Im Grunde ist alles gleich. Du musst nur noch mehr mit Schenkel- und Gewichtshilfen arbeiten. Den Reitring selbst nutzt du wie Zügel beim Neck-Reining. Also über Druck und Öffnung.
Beispiel Anhalten: Du sitzt tief ein (Gewichtshilfe) und nimmst deinen Oberkörper leicht zurück (Gewichtshilfe), dazu neimmst du die Schenkel weg (Schenkelhilfe) und zupfst bzw. legst den Reitring am Hals des Pferdes an.
Die wichtigsten Signale für das Reiten mit Reitring
- Wenn du den Reitring rechts oder links am Hals anlegst heißt das Abwenden für dein Pferd
- Wenn du ihn am Hals unten anlegst sagst du deinem Pferd damit erstmal „Stopp“ und dann „Rückwärts“
- Wenn du den Ring nach vorne streckst, dann bedeutet das „Gas geben“ für das Pferd
Wenn das noch nicht so gut klappt, kannst du erst noch die Zügel dran lassen, um korrigierend einzugreifen oder zwei Sticks rechts und links dazunehmen, um deinem Pferd deine Signale zu verdeutlichen.
Kleiner Tipp: Weil du mit dem Reitring natürlich weniger Einwirkung hast, solltest du das Reiten mit Reitring in einer umzäunten Umgebung oder in einer Reithalle angehen.
Lektionen mit dem Reitring
- Schlangenlinie
- Ganze Bahn
- Zirkel
- Volten
- Tempowechsel
- Übergänge
- Seitengänge
Lesetipps: Reitring
- Reiten so frei wie möglich: Gebisslose Zäumungen, Halsring und Ohne-Sattel-Reiten*
von Andrea und Markus Eschbach - Reiten ohne Sattel und Zaumzeug: Über Trauen und Vertrauen – Das Pegasus-System (Cadmos Reiterpraxis)* von Karin Tillisch
Hier findest du auch einen Artikel in der Cavallo zum Thema
HIER ist ein Video von der wunderbaren Linda Tellington-Jones für die ersten Schritte mit dem Reitring:
Sehr Hilfreich dein Bericht, meine Stute hätte jetzt seit 4 Wochen Pause. Bin mit Ihr ins Gelände geritten.
Ich dachte, versuchen wir mal was: hab die Zügel von der Trense abgemacht. Und bin mit zügeln als Halsring geritten.
Hat mega gut geklappt und hab mich sicher gefühlt.
Das verwunderliche, meine Stute, die ich seit Geburt kenne, wurde so noch nie geritten.
Ich geh davon aus, dass ihr das besser als mit hackamore gefallen hat. Galopp hab ich mir noch nicht getraut. Aber jetzt wo ich weiß, dass es ihr gefällt.
Selbst Turnierpferde lieben das :)
Hallo liebe Laura, das ist doch ein wunderschönes Zeichen dafür, dass eure Kommunikation perfekt passt und du schöne Gewichts und Schenkelhilfen gibst :-) Dann geht auch alles mit Halsring. Ganz liebe Grüße, Petra
Also, vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht über beide Formen des Ringes fürs Pferd.
Dazu gesagt, ich bin mein Pferd eher … Nja, wie soll ich sagen? Auf eigene Faust mit Halsring geritten und habe es bis heute nicht bereut. Wenn wir nicht gerade Schenkelweichen machen wollen (ja, das geht auch mit Halsring! Nur leider mit etwas weniger Seitwärts als ich es gern hätte), liegt der Ring locker an der Brust, für Zirkelreiten reicht das Gewicht in die Richtung zu legen und kein Zug, sondern nur ein kleines Drehen des Ringes (also, wenn ich zB auf der re. Hand nen Zirkel reiten will, Gewicht nach rechts und einmal den Halsring nach rechts rum drehen).
Dazu gesagt, mein Kleiner ist ein Islandwallach und wir sind nur freizeitmäßig unterwegs ^^ Wir machen einiges an Gymnastik, ich arbeite gerade auch daran ihn hinlegen zu lassen, wir gehen häufig spazieren (besonders wenn ich mal ein bisschen Lust aufs Laufen hab), außerdem trainieren wir häufig an der Bodenarbeit (wenden anhand Körpersprache, Tempoanpassung, Herkommen, Stehenbleiben, sich abholen lassen, und so weiter). Würde von mir selber behaupten, ich kenne meinen Kleinen schon recht gut und er ist inzwischen auch schon sehr entspannt mit mir (das muss man ja heute fast automatisch hinzufügen).
Hallo liebe Julika, das klingt ja so schön fein und weich – ganz ganz toll! Viele liebe Grüße, Petra