Wie oft hören wir, dass Bodenarbeit mit dem Pferd unnötiger Firlefanz sei oder es kursieren flotte Sprüche, dass man gut genug reitet und deshalb keine Bodenarbeit braucht…
Auch wenn du weißt, dass das absoluter Blödsinn ist, stehst du vielleicht an deinem Stall alleine mit deiner Bodenarbeitsliebe da. Vielleicht bist du auch umgeben von Bodenarbeitsfans und stehst an einem modernen und entspannten Stall und bist in einer schönen pferdefreundlichen „Blase“ mit deinem Pferd. Auch dann ist der Artikel superspannend für dich.
Denn wir verraten dir jetzt, dass Bodenarbeit kein modernes Ding ist und keinesfalls eine neue Erfindung in der Pferdewelt. Bodenarbeit von den alten Meistern war schon immer ein Teil der Ausbildung von Pferden.
Die seit Jahrhunderten verehrten Reitmeister haben schon vor hunderten von Jahren sehr viel Wert auf Bodenarbeit und einen Kommunikationsaufbau am Boden gelegt. In der Geschichte der feinen Reiter hatte das Training am Boden schon lange einen wichtigen Stellenwert.
Die Bodenarbeit oder „der Umgang mit dem Pferd am Boden“ – wie manche Reitmeister es lieber nannten, weil sie „Arbeit“ negativ empfanden – war immer ein fester Bestandteil des Pferdetrainings und damit auch der Ausbildung des Pferdes.
Bodenarbeitsprofis: Von Guérinière bis Pluvinel
Guérinière, Pluvinel, Lauffer, Nuno Oliveira, von Krane und noch viele mehr beschrieben in ihren Lehrwerken, dass sie am Boden mit dem Pferd viele „nützliche Dinge“ erarbeiten:
- Das Gleichgewicht und die Kraft, um auf beiden Händen im Schritt und Trab auf dem Zirkel zu gehen.
- Eine Grundkommunikation aufzubauen, um dem Pferd die Hilfen des Menschen zu erklären und es sanft ans Equipment gewöhnen zu können.
- Die Formung – also der Muskelaufbau, die Beizäumung und Biegung des Pferdes in der Arbeit.
- Darüber hinaus war die Bodenarbeit laut vielen Reitmeistern ein wunderbares Vertrauen förderndes Mittel beim Jungpferd sowie eine hilfreiche Basis fürs Einreiten. Denn dabei waren die Ausbilder oft zu zweit: So konnte die Person am Boden „Übersetzungshilfe“ für die dem Pferd noch unbekannten Hilfen des Reiters geben.
Der Galopp wird übrigens von den alten Reitmeistern nicht erwähnt. Wahrscheinlich weil früher grundsätzlich in der Arbeit mit dem Pferd der Galopp erst sehr spät dazugenommen wurde. Auch unter dem Sattel kam der Galopp erst dazu, wenn sich das Pferd im Schritt und Trab gut gefestigt hatte.
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Zu Fuss - statt zu Pferd
Warum die Kavallerietruppen oft nicht geritten sind
Die Kavallerietruppen wurden laut alter Buch-Aufzeichnungen immer dazu angehalten ihre Pferde die meiste Zeit zu führen und nicht zu reiten, weil sie ansonsten in wichtigen Momenten (eventuellen Konfrontationen mit dem Gegner) schon ermüdet wären. Stundenlanges Reiten war verpönt – das Pferd sollte geschont werden und so wenig wie möglich mit Gewicht auf dem Rücken laufen müssen.
Das Führen unterwegs und die Bodenarbeit wurden also aus Rücksichtsname für das Pferd häufig empfohlen.
Einige Tipps der alten Meister zur Bodenarbeit sind auch heute noch aktuell und hilfreich für die Umsetzung. Wir wollen sie dir jetzt zusammenfassen, damit du sie direkt an den Stall mitnehmen und in deinen nächsten Bodenarbeitstrainings einsetzen und nutzen kannst.
Tipps der alten Reitmeister für deine Bodenarbeit
Die megahilfreich sind
Kleinschrittigkeit: Schon Francois Robichon de la Guérinière und auch Antoine de Pluvinel beispielsweise empfahlen jeden noch so kleinen Versuch des Pferdes, etwas richtig zu machen zu loben. Guérinière rät zusätzlich jegliches Training sinnvoll aufbauen zu lassen, weil seiner Meinung nach viele Widersetzlichkeiten entstehen, weil von Pferden Dinge verlangt werden für die sie noch nicht bereit sind
Große Wenndungen: Von Krane legte Wert auf große Wendungen. Er erwähnte die Tendenz der Menschen, an der Hand zu langsam und zu eng zu gehen, die teilweise schwierig und vor allem auf Dauer schädlich für die Pferde sein kann. Gerade in der gymnastizierenden Handarbeit sollten wir am Anfang auf ein gleichmäßiges Tempo und nicht zu enge Linienführung achten.
Klarheit: Baucher betont wie wichtig es ist, nicht gleichzeitig zu bremsen und zu treiben. Dabei meint er in erster Linie die Handarbeit mit Zaum und zwei Zügeln, aber ich finde dies kann man auch auf alles andere übertragen: Unser Körper sollte ausdrücken, dass wir vorwärts wollen bevor / bzw. zumindest während die Gerte antreibt – genauso gilt es auch fürs Anhalten. Unsere Hilfen sollten stets zusammenpassen, um Verwirrungen des Pferdes zu vermeiden.
Ruhige Freundlichkeit: Nuno Oliveira spricht davon, dass es vor und auch während der Arbeit wichtig ist, dass die Pferde keine Angst vor der Gerte haben oder bekommen. Auch das kennen und schätzen wir „modernen Reiter“. Dazu passt auch ein Zitat von Antoine de Pluvinel: „Auf ein Pferd, das aus Angst gehorcht, ist kein Verlass. Es wird immer etwas geben, vor dem es sich mehr fürchtet als vor dem Reiter. Wenn es aber seinem Reiter vertraut, wird es ihn fragen, was es tun soll, wenn es sich fürchtet.“
Gebisslos first: Broue wiederrum beschreibt in seinem Werk, dass er zunächst auf den Nasenrücken (also über eine gebisslose Zäumung) einwirkt bevor er Hilfen mit Gebiss gibt. Baue also erst einmal Kommunikation mit einer gebisslosen Zäumung auf und nimm dann das Gebiss dazu – sowohl am Boden als auch unter dem Sattel.
Bodenarbeit von den alten Meistern: War alles Gold, was glänzt?
Das klingt alles fluffig und wunderschön, aber – um ehrlich zu sein – war bei den alten Meistern auch nicht alles Gold, was glänzt. Die Aufzeichnungen der Reitmeister lesen sich aus heutiger Sicht teilweise auch brutal und negativ für das Pferd. Wir ersparen euch alle Details, aber möchten gerne erklären warum es sich trotzdem lohnt ihnen einen Platz in deinen Gedanken zu geben:
Egal welche harten Methoden sie verwendeten: Für ihre Zeit waren sie sehr fortschrittlich und ProPferd unterwegs. Denn damals war die Idee – den Pferden die Ausbildung fein beizubringen – neu und fortschrittlich. Die Reitkunst war (zumindest vor Broue und Pluvinel) geprägt von einem sehr brutalen italienischem Reitmeister. Jede Idee das Pferd zu loben oder freundlich zu behandeln, kam also von ihnen.
Darüber hinaus waren Pferde damals nicht nur Freizeitpartner, sondern überlebensnotwendig. Sie wurden sowohl für die Fortbewegung als auch für den Kampf eingesetzt.
In dieser Zeit haben die Ausbilder und Reiter auch manchmal aus der Not heraus vermehrt Druck ausgeübt.
Umso mehr können wir Broue und Pluvinel dafür, schätzen, dass sie die Idee des feinen Reitens und der Wertschätzung für das Pferd in ihre Zeit gebracht haben und damit auch für uns einen Grundstein der Idee von „Pro Pferd“ gelegt haben.
Deshalb bleiben die alten Meister trotz allem brillante Vorreiter ihrer Zeit für die Idee die Pferde ehren und nicht benutzen zu wollen.
Ich bin Hero Merkel und reite mein ganzes Leben. Mit zwei Wochen saß ich das erste Mal auf dem Pferd meiner Mutter, seitdem sind Pferde meine besten Lehrmeister, liebevollsten Begleiter und coolsten Kommunikationspartner.
Beruflich bin ich deshalb Pferdetrainerin und Stuntfrau geworden. Dabei nutze ich mein ganz individuell zusammen gestelltes System und bilde mich ständig fort.
Hero Merkel
Die Autorin des Artikels
2 Kommentare
Danke liebe Hero, ichbin seideinigen Jahren bei jedem möglichen Kurs, den Du über die Pferdeflüsterei anbietest dabei. Sei es am Boden, geritten und bald vielleicht ja auch Freiarbeit. Mein Pony hast Du toll eingefahren und am Boden und geritten ausgebildet.
Für die Lieben nur das Beste! Dieser Artikel enthält tatsächlich noch was Neues für mich. So explizit meine ich, es von Dir nicht gehört zu haben. Obwohl, vielleicht doch: große Wendungen…
:-)))